Erstes Grab.
Zu Ottensen aus der Wiese
Ist eine gemeinsame Gruft;
So traurig ist keine wie diese
Wohl unter des Himmels Luft.
Darinnen liegt begraben
Ein ganzes Volksgeschlecht,
Väter, Mütter, Brüder, Töchter, Kinder, Knaben,
Zusammen Herr und Knecht.
Die rufen Weh zum Himmel
Aus ihrer stummen Gruft,
Und werden's rufen zum Himmel,
Wenn die Trommet' einst ruft.
Wir haben gewohnt in Frieden
Zu Hamburg in der Stadt,
Bis uns daraus vertrieben
Ein fremder Wüthrich hat.
Er hat uns ausgestoßen
Im Winter zur Stadt hinaus,
Die hungernden, nackenden, bloßen,
Wo finden wir Dach und Haus?
Wo finden wir Kost und Kleider,
Wir zwanzigtausend an Zahl?
Die ander'n schleppten sich weiter,
Wir blieben hier zumal.
Die ander'n nahmen die Britten
Und and're die Dänen auf;
Wir brachten mit müden Schritten
Bis hieher uns'ren Lauf.
Wir konnten nicht weiter keuchen,
Erschöpft war unsere Kraft;
Frost, Hunger, Elend und Seuchen,
Sie haben uns hingerafft.
Ein ungeheuerer Knäuel,
Zwölfhundert oder mehr;
Es zieht sich über den Gräuel
Ein dünner Rasen her.
Der deckt nun uns're Blöße,
Ein Obdach er uns gab;
Man merkt des Jammers Größe
Nicht an dem kleinen Grab.
Zweites Grab.
Zu Ottensen an der Mauer
Der Kirch' ist noch ein Grab,
Darin des Lebens Trauer
Ein Held gelegt hat ab.
Geschrieben ist der Namen
Nicht auf den Leichenstein;
Doch er sammt seinem Samen
Wird nie vergessen sein.
Von Braunschweig ist's der Alte,
Karl Wilhelm Ferdinand,
Der vor des Hirnes Spalte
Hier Ruh' im Grabe fand.
Der Lorbeerkranz entblättert,
Den auf dem Haupt er trug,
Die Stirn vom Schlag zerschmettert,
Der ihn bei Jena schlug;
Nicht, wo er war geboren,
Hat dürfen sterben er:
Von seines Braunschweigs Thoren
Kam irrend er hieher;
Umirrend mit den Scherben
Des Haupt's von Land zu Land,
Das, eh' es konnte sterben,
Erst allen Schmerz empfand;
Das erst noch mußte denken
Der Zukunft lange Noth,
Eh' es sich durfte senken
Beschwichtigt in den Tod.
Jetzt hat sich's hier gesenket,
Doch hebt sich's, wie man glaubt,
Noch aus der Gruft, und denket,
Das alte Feldherrnhaupt.
Da sieht es die Befreiung
Nun wohl auf deutscher Flur,
Doch auch von der Entweihung
Die unvertilgte Spur.
Da sieht es der Zwölfhundert
Grabstätte sich so nah,
Und ruft wohl aus verwundert:
Ein Feldherr ward ich ja.
O Feldherrnamt wie grausend!
Um mich den Feldherrn her
Gelagert sind die Tausend,
Ein großes Schmerzensheer.
Euch hat auf ander'n Pfaden,
Und doch aus gleichem Grund,
Der Tod hieher geladen,
Ihr seid mit mir im Bund.
Daß ohne Todtenhemde
Ihr auf den Gräbern sitzt,
Das schmerzt mich, weil der Fremde
Noch geht in Purpur itzt.
Ist keiner mehr am Leben,
Den Purpur auszuzieh'n
Dem Fremden, und zu geben
Euch nackten Todten ihn?
Mit seinen dunklen Schützen
Der Oels, mein wackrer Sohn,
Der könnte wohl euch nützen;
Doch fiel auch der nun schon.
Jetzt kann ich keinen nennen,
Da ihn der Tod geraubt;
Und schmerzlich fühl' ich brennen
Die Spalt' in meinem Haupt.
Drittes Grab.
Zu Ottensen, von Linden
Beschattet auf dem Plan,
Ist noch ein Grab zu finden,
Dem soll, wer trauert, nah'n.
Dort in der Linden Schauer
Soll lesen er am Stein
Die Inschrift, daß die Trauer
Ihm mag gelindert fein.
Mit seiner Gattin lieget
Und ihrem Sohne dort
Ein Sänger, der besieget
Den Tod hat durch ein Wort.
Es ist der fromme Sänger,
Der sang des Heiland's Sieg,
Zu dem er, ein Empfänger
Der Palm', im Tod entstieg.
Es ist derselbe Sänger,
Der auch die Hermannsschlacht
Sang, eh vom neuen Dränger
Geknickt ward Deutschlands Macht.
Ich hoffe, daß in Frieden
Er ruht' indess in Gott,
Nicht sah bei uns hienieden
Des Feind's Gewalt und Spott.
Und so auch ruht' im Grabe
Sein unverstört' Gebein,
Als ob geschirmt es habe
Ein Engel vor'm Entweih'n.
Es sind der Jahre zehen
Voll Druck und Tyrannei,
Voll ungestümer Wehen,
Gegangen d'ran vorbei.
Sie haben nicht die Linden
Gebrochen, die noch weh'n,
Und nicht gemacht erblinden,
Die Schrift, die noch zu seh'n.
Wohl hat, als dumpfer Brodem
Der Knechtschaft uns umgab,
Ein leiser Freiheitsodem
Geweht von diesem Grab.
Wohl ist, als hier den Flügel
Die Freiheit wieder schwang,
O Klopstock, deinem Hügel
Enttönt ein Freudenklang.
Und wenn ein finn'ger Waller
Umher die Gräber jetzt
Beschaut, tret' er nach aller
Beschau'n an dies zuletzt.
Wenn dort ein trübes Stöhnen
Den Busen hat geschwellt,
So ist als zum Versöhnen
Dies Grab hieher gestellt.
Die Thränen der Vertrieb'nen,
Des Feldherrn dumpfe Gruft,
Verschwinden vor'm beschrieb'nen
Stein unter'm Lindenduft;
Wo wie in gold'nen Streifen
Das Wort des Sängers steht:
Saat von Gott gesä't,
Dem Tag der Garben zu reifen.