74.
Locken, fliegende, trug ich, die wie Ranken
Mich umschatteten um die Schläfe wallend,
Und sie waren zu eigen einem Weibe,
Das sie segnet', als ich von ihr den Abschied
Nahm, und ließ mich versprechen, ungeschoren
Sie zu tragen für sie. Die Locken ließ ich
Scheren, treulos, und gab mich einer andern.
Und die liebte hindurch den kahlen Winter
Mich unlockigen gleich den andern Bäumen.
Als der Frühling gekommen, und der Bäume
Haupt sich wieder belaubte, ging mir's eigen.
Unter'm spielenden Finger der Geliebten,
Wie von Rührungen linder Lenzeslüste,
Wuchsen neu um die Schläfe mir die Locken,
Still mit ihnen erwuchs das Angedenken
An die vorige, der sie einst gehörten.
Und es war mir alsob sie aus der Ferne
Mit dem Arme nach ihrem Eigenthume
Griff' herüber und zöge, doch so stark nicht
Wie die Ruhe, die, ein Verdächtchen schöpfend
Von dem Zug aus der Fern', entschlofsen krampfhaft
Sich anklammert', und hält mich fest gewaltig.