Wenn du um die Abendstunden

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Wenn du um die Abendstunden
 Jenes Tages, wo von dannen
 Mich von dir die Rosse trugen,
 Deines Freunds mit Unruh dachtest;
 Laß es nur für Ahnung gelten
 Der gedoppelten Gefahren,
 Die dem Freunde damals drohten
 Zwischen Fluth und Bergeshalden;
 Das soll jetzt dir keinen Schrecken,
 Sondern stille Freude machen,
 Liebste! denn ja jedes Unglück
 Ist ein Glück, wenn überstanden.
 Daß ich dir's hier kurz berichte,
 Was du weiter kannst erfragen,
 Wann ich selb zurück dir kehre
 Ueber heut in vierzehn Tagen!
Weißt du, wie die Wolken gossen
 In den letzten jener Tage,
 Die uns noch der Himmel gönnte,
 Uns auf's Scheiden vorzulaben?
 Wie die Wolken unsren Herzen
 Ihre letzte Lust verdarben,
 Den bescheidnen Wunsch beschränkten,
 Uns noch zu ergehn im Garten,
 In den Lauben noch zu sitzen,
 Wo wir oft gesessen hatten.
 Aber für des Tags gestörte
 Freuden schadlos uns zu halten,
 Schloß der Abend uns in's Zimmer,
 Wo, beim Sonnenschein der Lampe,
 Aus dem reinen Himmel deiner
 Augen schönre Tropfen kamen,
 Wenn sie, auf dem Freunde ruhend,
 Süß im Thau der Rührung standen.
 Ich vergaß des Regenwetters,
 Deinen Thau auf Lippen habend,
 Fand von jenem, als ich reiste,
 Erst die Spur auf meinen Straßen.
 Denn des Himmels losgebrochne
 Schleußen die aus jedem Bache
 Einen Riesenstrom gebildet,
 Weit vor meinen Augen hatten
 Sie das grüne Thal der Wiesen
 In ein offnes Meer verwandelt.
 Als zur Stadt ich rückwärts blickte,
 Wo ich dich, mein Glück, verlassen;
 Die, bekrönt mit Citadellen,
 Sich um blühn'de Hügel lagernd,
 Jetzt in einem Wellenspiegel,
 Den sie sonst entbehret hatte,
 Sich beschaute, schien, o Liebste,
 Mir die Stadt ein klein Neapel.
 Diesen Golfo zu beschiffen,
 Fehlte nur ein Wimpelnachen,
 Da des Wagens ehrne Räder
 Hier zu schwere Ruder waren.
 Denn, wie vormals wohl nach einem
 Jener reizenden Eilande,
 Die am sonn'gen Horizonte
 Jenes andern grösseren Napels,
 Fern gesehn, als duftig blaue
 Berg' aus grünen Wogen ragen,
 Ich hinüber schiffen mochte,
 Aus Vergnügen, nicht aus Zwange;
 So aus Zwang, nicht aus Vergnügen,
 (Könnt' ich ohne Zwang dich lassen?)
 Steuern sollt' ich jetzt aus diesem
 Thal hinüber in ein andres,
 Das zum Eiland die dazwischen
 Ausgegossne Fluth mir machte.
 Und unschlüssig fuhr ich nieder
 An des Binnenmeeres Rande,
 Unten eine Furth zu finden,
 Da ich leider nicht bedachte,
 Daß, je mehr je weiter nieder,
 Von den Bächen, die sich sammeln,
 Aehnlich Schulden, die sich häufen,
 Müßten die Gewässer wachsen
 Nun es galt sich zu entschließen,
 Rief ich einen Rath zusammen,
 Eine ganzen Dorfs Gemeinde,
 Wo ich eben angelanget;
 Daß nach Wissen und Gewissen,
 Ob der große Schritt zu wagen,
 Sie mit Ja und Nein entschieden.
 Und es traf sich, daß die Alten
 Alle sprachen Nein bedächtig,
 Neck die Jungen Ja nur sprachen.
 Weil mein Herz denn jung sich fühlte,
 Folgt' ich nicht der Alten Rathe.
 Liebste! sieh nun deinen Liebsten,
 Der in seinem Rädernachen
 Durch den Wogenaufruhr schwebet
 Eines Wiesenoceanes.
 Als das Schwimmens ungewohnte
 Fahrzeug doch zu seltsam schwankte,
 Fing mir an mit leisem Schwindel
 Durch das Haupt die Furcht zu schwanken.
 Doch wie einst in Sturmesnöthen
 An der Felseninsel Capri
 Durch ein festes Wort des Glaubens
 Ich des Meeres Grausen bannte;
 Durch die Kraft desselben Wortes
 Schwichtet' ich hier die Gedanken,
 So zu meinem Herzen sprechend:
 Gott kann dich nicht sinken lassen!
 Gott kann dich nicht lassen sinken
 Hier in diesen schnöden Wassern,
 Da du hast aus seiner schönen
 Erde noch soviel zu schaffen,
 Wenn es auch nur Lieder wären,
 Die du ihm zum Preis entfaltesL
 Gott kann dich nicht lassen sinken,
 Niemals, und jetzt gar nicht aber,
 Jetzo gar nicht, da der Liebsten
 Du versprachst beim Abschiedsagen:
 Daß du ihr zurück willst kehren
 Ueber heut in vierzehn Tagen!
Liebste! der Tumult des Herzens
 Schwieg vor diesem Talismane
 Liebste! der Tumult der Wogen
 Schwand vor diesem Zauberstabe.
 Und hin fuhr ich trotzig sicher,
 Wie Neptun im Muschelwagen,
 Mit den mähnumtrieften Rossen,
 Welche gleich Delphinen schwammen.
 Als sie mit dem ersten Griffe
 Der beerzten Hufe aber
 Aus dem fremden Elemente
 Festen Grund nun drüben faßten;
 Stand ein greiser Mann am Ufer,
 Der gesehn die Schwimmfahrt hatte,
 Und, am Trocknen jetzt uns sehend,
 Seine Händ' andächtig faltend,
 Von uns auf zum Himmel blickte,
 Mit dem einen Blicke strafend
 Unsre Kühnheit, und für unsre
 Rettung dankend mit dem andern.
 Aber lustig, sich im Sonnschein
 Trocknend ging die Fahrt; der Schwager
 Stieß ins Horn wie triumphirend,
 Gleichalsob wir über alle
 Berge wären, da wir doch erst
 Ueber alle Wasser waren.
 Daß dich nicht die Berg' ermüden,
 Liebste! wie sie mich es thaten:
 Niemals hab' ich das erlitten,
 Niemals hab' ich das erfahren,
 Selbst in rauher Apenninen
 Mitte nicht, bei Pietra mala,
 Holpernd über Stock und Steine,
 Streifend Aest' und Wurzelfasern
 Schlimm hinauf und schliiumer nieder,
 Vorwärts, rückwärts, seitwärts hangend,
 Pferde keuchend, Räder knirrend,
 Kutscher fluchend, Achsen krachend,
 Eine Müh' auf jedem Schritte,
 Ging es langsam, gings doch aber.
 Wenn mir unsanft so gewiegtem,
 So gerütteltem, der Faden
 Der Geduld zerreißen wollte,
 Liebste! durft' ich nur mir sagen:
 Daß ich bei dir ausruhn sollte
 Ueber heut in vierzehn Tagen!
Liebste! diese mag'sche Formel
 Zauberte vor die Gedanken
 Mir sogleich das traute Stübchen
 Mit dem Sopha, mit dem Platze,
 Dem von mir einst eingenommnem
 Dem für mich itzt leergelassnen
 Weich darauf im Geist gebettet,
 Ließ ich fort auf rauhen Straßen
 Meinen Leib geduldig schleppen.
 Liebste! und im nahen Thale,
 Hell vom Strahl der Abendsonne,
 Wie mit goldbelegtem Dache,
 Trat mir schon das Haus entgegen,
 Das mich herit als Gast erwartet.
 Da, von ferner Bergesveste,
 Wo die Rittergeister manchmal,
 Freud' an Hexenspuke findend,
 Wetter brauen, Schnee und Hagel,
 Kam ein finstrer Riesenpopanz,
 Ein Gewölke regenschwanger
 Gegen mich daher gezogen,
 Das die schönste Anstalt machte,
 Mich von unten eingenetzten
 Obenher nun auch zu baden.
 Und ich hieß den Kutscher eilig
 Unserm Obdach zuzujagen
 Doch eh' wir's erreichen konnten,
 Kam die Eil' mit uns zu Falle.
 Und kaum hatt' ich Zeit zu rufen,
 Als ich fühlt' es sank der Wagen:
 Gott kann dich nicht lassen sinken!
 Ueber heut in vierzehn Tagen!
Freilich fand ich mich gesunken,
 Aber ziemlich weich gelagert,
 Auf dem feuchten Heidekraute,
 Zwischen dem Gestrüpp des Angers
 Als ich nach dem Wagen schaute,
 Fand ich schlimmer ihn behandelt,
 Ganz gequetscht und ganz geschunden,
 Aus den Fugen ganz gegangen,
 Oberstes nach unten kehrend,
 Und nach oben Rad und Achsen.
 Da ihm nicht war aufzuhelfen,
 Nahm ich meinen Regenmantel,
 Ließ in Gottes und des Kutschers
 Hut das Fuhrwerk, schritt als Wandrer
 Meinem Ziel im Sturm entgegen,
 Wo ich, zwar nicht so erwartet,
 Doch auch so willkommen eintrat,
 Meinen Unfall offenbarend
 Und die Leute meines Wirthes
 Gingen hin mit starken Armen,
 Ihn, der mich nicht tragen konnte,
 Meinen Wagen heimzutragen.
 Liebste! solche Fährlichkeiten
 Hat dein flücht'ger Freund bestanden
 Gleich auf diesem ersten Schritte,
 Den er that, dich zu verlassen.
 Soll mir das nicht eine Lehre,
 Nicht ein Wink sein, der mich warnte??
 Liebste! beim vereinten Grausen
 Der bestandenen Gefahren,
 Schwör' ich es, in meinem Leben,
 Nie dich wieder zu verlassen,
 Keinen Schritt von dir zu thun,
 Nicht zu Fuß und nicht im Wagen,
 Wenn ich erst zu dir gekehrt bin
 Ueber heut in vierzehn Tagen!