Ich möchte nur wissen

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Ich möchte nur wissen, wohin ich sollt' sehn,
 Daß ich dich nicht sähe, o Liebe,
 Und wissen möcht' ich, wohin ich sollt' gehn,
 Daß ich nicht bei dir bliebe.
 Du bist überall, überall,
 Wo Windeshauch und Wogenschall,
 Und wo sie nicht sind, da bist du.
Und wollte gehn in den grünen Wald,
 Und wollte die Vögelein fragen;
 Sie konnten mit Stimmen tausendfalt
 Von nichts doch, als Liebe, mir sagen.
 Die Nachtigall statt aller sprach,
 Aber ihr Sprechen war nichts als ein Ach,
 Das Ach war nichts als Liebe.
Draus woll' ich gehn an des Flusses Rand,
 Und sehn die stürmende Welle;
 Aber die Liebe auch dorthin sich fand,
 Sie machte den Sturm so helle;
 Sie rief die Blumen an's Ufer hinan,
 Die schauten den Strom mit Liebe an,
 Und tauchten sich unter in Liebe.
Dann wollt' ich mich wenden zum Himmelsblau,
 Um der Liebe dort zu entfliehen;
 Da fühlt' ich ihren Odem lau
 Von dort entgegen mir ziehen;
 Ein Liebesblick die Sonne war,
 Und als sie versank, zersprühte sie gar
 In tausend liebfunkelnde Sterne.
Da sah ich wieder zum Erdenrund,
 Da sah ich die Liebe wieder;
 Still auf der Erde ein Mägdlein stund,
 Zog alle Himmel hernieder.
 All Liebesleben im Busen ihr schlug,
 Alle Liebessonnen im Auge sie trug,
 Die schlugen in meines flammend.
Da mußt' ich das Auge schließen vor Lust,
 Um nicht vor Lieb' zu erblinden;
 Da staunt' ich, inwendig in meiner Brust
 Nicht minder die Liebe zu finden;
 Ja was ich sonst einzeln von Liebe nur sah
 In Erd' und Himmel hie und da,
 Sah ich hier liebend beisammen.
Drum möcht ich wissen, wohin ich sollt' sehn.
 Daß ich dich nicht sähe, o Liebe;
 Und wissen möcht' ich, wohin ich sollt' gehn,
 Daß ich nicht bei dir bliebe,
 Da wohnend in meines Busens Haus
 Ich dich mittrag' in die Welt hinaus,
 Dich trag' ich zu Grab und zu Himmel.