61.
Du meinst, o liebe Mutter,
Wenn ich beim Liebsten bin,
Es käm' uns gar nichts andres
Als küssen in den Sinn.
Du irrst, o liebe Mutter!
Ich darf den Liebsten ja,
Auch wenn du's siehest, küssen,
Sieh her, ich küss' ihn da.
Doch wenn allein wir sitzen
In stiller Traulichkeit,
Wie ernstliche Gedanken
Verkürzen uns die Zeit!
Wie hat mir wicht'ge Dinge
Der Liebste zu vertrau'n!
Er gibt sein Herz, sein Leben,
Von Grund aus mir zu schau'n.
Er will mir nichts verhehlen,
Und ihm verhehl' ich nichts.
Wir kennen unsre Seelen,
Wie Züge des Gesichts.
Denn Alles muß auf Erden
Sein zwischen uns ganz klar,
Bevor wir können werden
Ein wohlverständigt Paar.