Liebchen! meine Freunde rathen

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Liebchen! meine Freunde rathen,
  Edlem Lehrstand mich zu weihn,
  Auszustreuen goldne Saaten
  In der Jugend frische Reihn.
Ob in mir ich solche Körner
  Heg', ist wenig mir bewußt;
  Sie zu säen zwischen Dörner
  Hab' ich völlig keine Lust.
Bin ich selbst doch in der Wilde
  Aufgewachsen ohne Zucht.
  Ohne daß ich andre bilde,
  Will ich tragen meine Frucht.
Bin geworden, was ich konnte;
  Werd' ein jeder, was er kann!
  Wie ich mich an keinem sonnte,
  Biet' ich Licht auch keinem an.
Sollt' ich ernst gelehrte Sachen
  Pred'gen? Mir ein schlechter Spaß.
  Oder lehren Verse machens?
  Selber kann ein jeder das.
Liebchen! Ab vom Lehrerstuhle
  Wendet sich zu dir mein Sinn.
  Wo ich halten soll die Schule,
  Mußt du sein die Schülerin.
Meine Weisheit will ich träufen
  Dir mit Küssen in die Brust,
  Alle Geistesblüthen häufen
  Um dich her zu Schmuck und Lust.
Warum sollt' ich meine Saaten
  Fremden Feldern anvertrau'n,
  Da mich Gott so wohl berathen,
  Daß ich darf mein eignes bau'n?
Pflanzen will ich stets vom frischen,
  Und mich meiner Ernten freu'n,
  Und kein Fremder soll mir zwischen
  Meinen Weizen Unkraut streu'n.