Liedlein vom Glücke.

              1.

 Ich hört' oft genug,
  Das Glück sei auf Reisen.
  „Da ist's ja nicht klug
  Sich der Ruh' zu befleißen!“
 So macht' ich mich auf
  In rüstigem Lauf,
  Um auch auf den Wegen
  Dem Glück zu begegnen.
 Ich sah auf den Gängen
  Viel Volkes sich drängen,
  Viel Lärm und viel Plunder,
  Das Glück war nicht drunter.
 Und that ich wen fragen:
  Wo kann ich's erjagen?
  Merkt keiner auf mich,
  Sucht's jeder für sich.
 Ich kam zu 'ner Brücke:
  Verweilt hier das Glücke?
  „Es ist hier vor Jahren
  Vorüber gefahren.“
 Zu 'nem Stadtthor ich trat:
  Ist Glück in der Stadt?
  „Wir passen hier eben
  Ihm Einlaß zu geben.“
 Da paßt' ich auch lange,
  Da kam es doch nicht:
  Bis daß ich zum Gange
  Mich wieder gericht.
 Und als ich auswandern
  Zum einen Thor that,
  Zog ein in die Stadt
  Das Glück just zum andern.
„Willst länger mit Schnaufen
  Ihm auch nicht nachlaufen;
  Wer weiss, wenn du's hast
  Ob's werth ist der Last“
 Da hab' ich ein Eckchen
  Im Wald mir erschaut,
  Und mir auf dem Fleckchen
  Ein Häusel erbaut.
 Ich hab' es erbaut
  Mit eigener Haut,
  Mit eigener Hand,
  Ohn' Glücks Beistand.
 Hier, Glück, ist mein Haus.
  Mein Bett und mein Schrein;
  Willst kommen, kehr' ein,
  Willst nicht, so bleib' aus!

            2.

 Das Glück kam gegangen
  Durch Regen und Wind:
  Ich bin's dein Verlangen,
  Thu' auf geschwind!
 Nach dem du geflehet
  So lange schon hast;
  Vor'm Thore hier stehet
  Das Glück als Gast.
 Da guckte der Alte
  Zum Fenster hinaus,
  Und rief aus der Spalte:
  Ich bin nicht zu Haus.
 Ich habe mich lange
  Mit Schmerz und Begier
  Nach deinem Empfange
  Gesehnet allhier.
 Du solltest mich lösen
  Von meiner Qual,
  Von meinem erzbösen
  Herzehgemahl:
 Von deiner Stiefschwester,
  Dem Unglück, das
  Im Nacken mir fester
  Als Kletten saß.
 Du konntest mich retten,
  Du hast nicht gemocht:
  Nun hab' ich die Ketten
  Mir selber zerpocht.
 Ich ward ihr Bezwinger
  Nach schwerem Kampf,
  Noch lähmet den Finger
  Mir drüber der Krampf.
 Ich habe die Klette
  Zum Haus 'naus gefegt,
  Und mich in mein Bette
  Recht breit gelegt.
 Soll keine mehr nisteln
  An meinem Hals,
  Hab' g'nug an den Disteln
  Des erstenmals.
 Alt bin ich vor Wehen,
  Vor Kümmerniß grau;
  Kann nicht mehr vorstehen
  So rüstiger Frau.
 Mach' andre ausfindig
  Zu deinem Empfang;
  Gut Nacht! Es ist windig,
  Was stehst du so lang?