Pasquill.

 Weil Niemand mir eins machen will,
Mach' ich mir selber dies Pasquill.
 Es war einst ein Jungfräuelein,
Jetzt denk' ich wird's ein Engel sein,
Das meines Herzens Spaß verdarb,
Und, weil ich's lieben wollle, starb.
Acht Tag' nach Pfingsten war es roth,
Und vierzehn Tag' drauf war es todt.
Drei Tag' drauf lag's in Sarg und Grab,
Des Tags draus pflückt' ich Rosen ab,
Und Nachts, weil es just Vollmond war,
Bracht' ich auf's Grab die Rosen dar;
Weil nun gefallen war kein Thau,
Thaut' ich sie ein mit Thränen lau.
Doch weil vorbei der Maienmond,
Und Nachtigall nicht singen konnt',
Hielt ich's statt ihrer mir zur Pflicht,
Und sang ihr mehr als ein Gedicht.
Ich trieb's in rechter Liebesqual,
Ich rief den Engel tausendmal,
Und setzte mir's in Kopf hinein,
Untröstlich ganz and gar zu sein.
 An einem Sonntag, da der Gram
Mir völlig die Besinnung nahm,
Gerieth ich in ein Kellerhaus,
Wo's lustig ging in Saus und Braus;
Doch in dem Kopf ohn' Unterlaß
Mir noch der Himmelsengel saß:
Ich dachte bei dem Kegelschub,
Wie's rollte, da man sie begrub.
Weil alle tranken groß und klein,
So mußt' es auch getrunken sein.
Und als ich in Gedanken tief
Nun laut nach einem Glase rief,
Kam mit dem Glas vor mir zu stehn
Ein Dirnchen, das ich nie gesehn.
Ich trank, und sah ihr ins Gesicht,
Und dacht': Ist das dein Engel nicht?
Ich trank noch einmal, und nun klar
War mir's, daß sie der Engel war.
Wenn nicht was war in's Bier gebraut,
So braucht ein Thor kein Zauberkraut.
 Ich kann nicht sagen, wie's geschah,
Daß ich im Gras mich sitzen sah.
Und das Grasäffchen neben mir,
Das sträubte sich in rechter Zier;
Doch Aug' in Auge war gebannt,
Und fest um's Leibchen meine Hand.
Dann Abends führt' ich sie nach Haus,
Gab vor der Thür ihr einen Strauß,
Der Todten hatt' ich ihn bestimmt;
Gut, daß ihn die Lebend'ge nimmt.
Und wie es nun soll weiter gehn,
Bin ich begierig selbst zu sehn.

Anmerkungen

Pasquill

Das bzw. der Pasquill (italienisch: „kleiner Pasquino”, auch: die Pasquinade) ist eine Schmäh- oder Spottschrift, die verfasst wird, um eine bestimmte Person zu verleumden oder in ihrer Ehre zu verletzen. Eine bildliche Darstellung, die diesen Zielen dient, kann ebenfalls die Bezeichnung Pasquill tragen. Der Pasquillant, der Verfasser dieser Schrift, publiziert anonym oder wählt ein Pseudonym.

In der frühen Neuzeit, als die Begriffe Flugblatt und Flugschrift noch nicht existierten, wurden auch diese als Pasquill bezeichnet, wenn sie durch eine tendenziöse Darstellung Meinungen beeinflussen sollten.

siehe auch Wikipedia