2.
»Liebes Schwesterchen Sophie!
Weil du nicht im Haufen
Magst nach uns hinaus alswie
Deine Brüder laufen;
Lassen unser Kleines
Wir dir da als deines,
Gieb ihm schön zu fressen und zu sausen!
Seiner Eltern Waldgesang
Ob es auch verlerne,
Mög' es deiner Stimme Klang
Dafür lernen gerne;
Denn Gesanges mächtig
Bist du, und so prächtig
Singst du, daß es schallt in alle Ferne.
Selber wissen manches Lied
Wir aus deinem Munde;
Doch ein Käuzlein uns beschied
Wunderbarste Kunde,
Wie dich vom Gesange
Selbst nicht schied die bange
Atitternächt'ge todgeweihte Stunde.
Als ihr all' erkranket lagt
An den bösen Blattern,
Lauscht' es, also hat's gesagt,
An den Fenstergattern
Nach des Lämpleins Leuchten,
Bis die Leut' es scheuchten,
Und ein Singen hört' es im Entflattern.
Eben um dein Schwesterlein
Rangen sie vergebens
Mit dem Tod, es ist schon sein,
Und sie weinend heben's
Kalt hinweg, dein Nettchen,
Du im Krankenbettchen
Sitzend singest: »Freuet euch des Lebens!
»Freuet euch des Lebens, weil
Noch das Lämpchen glühet!
Pflücket Rosen, pflücket Veil,
Eh' sie sind verblühet!«
Lämpchen war verglommen,
Ros' und Veil verkommen,
Um's Geschiedne warst du ungemühet.
War das Lied die Schwinge nicht
Seines Auswärtsschwebens,
Wo es jetzt die Blüthen bricht
Hoch vom Baum des Lebens?
Unter Paradieses-
Vögeln singt es dieses,
Was du sangest: Freuet euch des Lebens!
Freu' dich denn des Lebens weil
Noch dein Lämpchen glühet!
Pflücke Rosen, pflücke Veil,
Eh' sie sind verblühet.
Deine Kinderschuhe
Tritt nur aus, doch thue
Nie den Sinn ab, den kein Dorn bemühet.
Mögest du der Wolken Grau'n
Mit Gesang zerstreuen,
Und einmal dein Nestchen bau'n,
Dich des Lebens freuen,
Mit dem besten Gatten,
In des Daches Schatten,
Wo zu nisten Schwalben nicht sich scheuen.