Begrüßung des Wanderers im unbesuchten Thal.

Wo von keines Menschen Tritte
  Je gezeichnet ward die Spur,
  Und in stiller Oeden Mitte
  Mit der schweigenden Natur
  Wohnten ihre Kinderschaaren,
  Blumen, und ich Nachtigall,
  Denen nur Gespielen waren
  Sonne, Luft und Widerhall
Daß du hier dich hergekehret,
  Ob aus Zufall, ob aus Wahl,
  Durch dein Kommen hochgeehret
  Fühlen wir uns allzumal;
  Und sobald wir es vernahmen,
  Gaben sie den Auftrag mir,
  Daß ich sollt' in aller Namen
  Dich willkommen heißen hier.
Alle Blumen stehn am Wege
  In dem schönsten Feierkleid,
  Und die Vögel im Gehege
  Singen hellen Widersreit.
  Alle streben auszudrücken
  Ihren hocherfreuten Sinn;
  Möcht es mir vor allen glücken,
  Denn ich bin die Sprecherin!
Wir in unsern Einsamkeiten
  Wüßten selbst nicht, was uns fehlt.
  Hätten Lüfte nicht zu Zeiten,
  Wandernde, es uns erzählt;
  Wie da draußen Menschen wallen,
  Die mit offnem Aug' und Ohr,
  Merken auf der Nachtigallen
  Achten auf der Blumen Chor.
Hier bei uns ist Tag und Sonne,
  Schatten, Nacht und Sonnenlicht;
  Doch das ist die rechte Wonne
  Und die rechte Freude nicht.
  Denn die Sonne kann nicht blicken,
  Wie ein Menschenauge blickt,
  Das nicht will allein erquicken,
  Sondern selbst sich auch erquickt.
Und die Blume, wie sie blühte,
  So verwelkt sie, ungesehn,
  Keinem fühlenden Gemüthe
  Bild der Luft und Bild der Weh'n.
  Ein bedeutungsvolles Zeichen,
  Sterben in der Liebe Hand;
  Keine hier ist von den bleichen
  Blüthen, die dies Glück empfand.
Und ich selber mit der Kehle,
  Der des Wohllauts Wog' entquillt;
  Wozu das, wenn keine Seele
  Meinem Lied entgegen schwillt?
  Mit dem Widerhall zu scherzen,
  Sinnigem genügt's nicht lang;
  Felsen haben keine Herzen,
  Eitle steuet eigner Klang.
Aber stolz, nicht eitel, heute
  Fühlet sich das Thal mit mir,
  Da du aller Wandersleute
  Erster aus dich zeigest hier.
  Weil es einmal eingetroffen,
  Und hieher du fandst die Bahn,
  Ist es fortan auch zu hoffen,
  Daß sich werden andre nahn.
Bliebest du in unsrer Mitte!
  Aber, kann es nicht geschehn,
  Wollest mit zu schnellem Schritte
  Hier doch nicht vorübergehn;
  Daß die fernen und die nahen,
  Alle die neugierig sind,
  Ahnen, was sie nie noch sahen,
  Sehn, ein wandernd Menschenkind!
Brich sie werden's gerne leiden,
  Alle die du willst und liebst;
  Und die andern sind bescheiden,
  Wenn du ihnen Blicke giebst.
  Gieb ein Ohr auch meinen Vettern,
  Die im Busche wurden wach;
  Und mein allerlautstes Schmettern
  Ruft dir in die Ferne nach.