Brief/An einen Ueberschwänglichen

                    Brief.

Lieber junger gelehrter Freund! unmöglich,
Rein unmöglich in diesen Maientagen
Ist mir, was du begehrest, auszulegen
Dein dreizüngiges, mir in's Haus gesandtes,
Morgenländisches Ungeheuer, hebräisch
Vorn, arabisch in jedes Verses Mitte,
Und chaldäisch am Ende. Jetzo reden
Vögel, Blumen und Lichter, Lüft' und Quellen
Paradiesisches Deutsch mit mir, und lassen
Mich kein anderes Wort versteh'n. Doch willst du
Warten bis zum November hin, wo wieder
Meine Philologie der Poesie ob-
siegt, wie Nebel dem Sonnenschein, und neu ob-
liegt der Dichter dem Uebersetzerhandwerk;
Will ich dann mich versuchen an dem Drachen,
Den dreisprachigen Rathselmund ihm lösend -—
Ob ich gleich schon auf Einen Blick (denn mehr als
Einen that ich nicht hin) soviel erkannte,
Daß er schwerlich in seinem Rachen führet
Ein gediegenes Gold, das aus den Zähnen
Ihm zu reißen die Mühe wird verlohnen.

        An einen Ueberschwänglichen.

Das ist über meinem Horizonte;
  Junger Aar, Gott stärke deinen Flug!
  In der Sphäre, wo ich längst mich sonnte,
  Hab' ich Raum und hat' ich Licht genug.
Nicht nach unerhörten Wunderdingen
  Lüftet mich; doch, du dort gewannst
  Göttliches, hernieder magst du's bringen,
  Wenn du's menschlich nah mir bringen kannst.