Der fünfzehnte August.

Hier in stiller Klause,
  Von der Welt Gebrause
  Und Getümmel fern;
  Fand vorlängst das Alter
  In Gebet und Psalter
  Mich vor Gott dem Herrn.
Stets aus fernen Hallen
  Hört' ich Glocken schallen,
  Wenn ein Festtag war,
  Und ich ließ dazwischen
  Sich mein Glöcklein mischen
  Freudig immerdar.
Doch im Chor der Feste
  Feiert' ich auf's beste
  Eins mit frommem Sinn,
  Das die Väter weihten
  Der gebenedeiten
  Himmelskönigin.
Schöner schmückt und freier
  Sich in stiller Feier
  Immer die Natur,
  Dich, o Tag, bekränzend,
  Wo Maria glänzend
  Auf zum Himmel fuhr.
Wer ist der empörte
  Geist, der mir verstörte
  Meines Festtags Luft;
  Wer der Gottverhaßte,
  Der sich dein anmaßte,
  Funfzehnter August?
In der Glocken Tönen
  Mischet wild sein Dröhnen
  Donnerndes Metall,
  Und es ist als wehte
  Mitten durch Gebete
  Dumpfer Flüche Schall,
Als mit Palmenstengel
  Gabriel der Engel
  Einst gesendet ward,
  Heil'ge, dir zu künden
  Aus der Erde Gründen
  Deine Himmelfahrt;
Als dem Tod du nahtest,
  Mutter Gottes, batest
  Du nur eins zumeist,
  Daß im Todeskrampfe
  Dürste dir mit Kampfe
  Nahn kein böser Geist;
Daß du ungenecket
  Schiedest, ungeschrecket;
  Und du wardst erhört.
  Duldest du, Erlöser,
  Daß nun doch ein böser
  Geist die Mutter stört?
Daß ein Weltverwüster,
  Deß Geburt war düster
  In des Todes Nacht,
  Kecken Angesichtes
  Sich den Tag des Lichtes
  Zum Geburtstag macht?
An so heil'gem Tage
  Kann der Erde Plage
  Nicht geboren sein;
  Er, der pflegt mit Tücken
  Alles zu verrücken,
  Mischt auch hier sie ein.
Gott und Welt zum Hohne
  Raubt er dir die Krone,
  Himmelskönigin,
  Und an dir bestimmter
  Heil'ger Stätte nimmt er
  Deine Opfer hin.
Kann auch auf die Tempel
  Ihren ehrnen Stempel
  Drücken Tyrannei?
  Sind des Zwingherrn Sklaven
  Auch im stillen Hafen
  Des Gebets nicht frei?
Sünd'ge Huldigungen
  Preßt man von den Zungen,
  Presset vom Altar.
  Gluth entweihter Kerzen,
  Preßt aus Menschenherzen
  Man Gebete gar?
Noth im Festkalender
  Fälscht ein Heilgenschänder
  Seinen Namen ein;
  Und um zu entstellen
  Auch des Himmels Zellen,
  Heißt ein Stern dort fein.
Weich' o Unglücksnamen,
  Aus dem heilgen Rahmen,
  Ekle Schmeichelei!
  Und der Schmachstern falle
  Von des Himmels Halle,
  Denn die Welt ist frei!
O Gebenedeite,
  Der dein Fest entweihte
  Und die Erde, liegt;
  Wieder wie vor Jahren
  Nun zum Himmel fahren
  Kannst du unbesiegt.
Tilge seine Spuren
  Auf der Erde Fluren,
  Und aus jeder Brust;
  Daß die Welt in reinem
  Lichte glänz an deinem
  Funfzehnten August!
Daß die weite Erde
  Dir ein Tempel werde.
  Neugereinigt ganz,
  Und der Stern am Himmel
  Glänzendes Gewimmel
  Deiner Ehre Kranz!
Und da ich gesehen,
  Wie aus ihren Wehen
  Frei die Erde ward,
  Laß mich ohne Klage
  Sterben nun am Tage
  Deiner Himmelfahrt.

Anmerkungen

gebenedeit

Das Wort „gebenedeit“ kommt vom deutschen Verb „benedeien“, das sich wiederum vom Lateinischen „benedicere” ableitet und „segnen, lobpreisen” bedeutet.

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