Ich seh’ dein Bild

                  15.

Ich seh' dein Bild vor mir entfalten,
  Es haucht sich spielend, wie der Wind,
  In hundert wechselnde Gestalten,
  Die alle gleich an Schönheit sind.
Ich sehe dich im Strahlenglanze,
  Und du gebeutst als Königin;
  Ich sehe dich im Veilchenkranze,
  Du fühlst und spielst als Schäferin
Ich seh' auf der Begeistrung Flügel
  Dich schweben über Tod und Grab,
  Und dann dein Bild dem treuen Spiegel
  Mit langem Tändeln fragen ab.
Ich sehe dich als üpp'ge Heide,
  Die frohen Göttern Nektar schenkt,
  Dann in der Schwermuth Florgewebe,
  Wie Psyche, wenn sie Amorn denkt.
Und wie du Weib und Göttin scheinest,
  Gebeutst du Huldigung und Scherz,
  Und wie du lachest oder weinest,
  So weint und lachet jedes Herz.
O sprich, aus welchen Himmelszonen
  Beströmt der Gaben Füllhorn dich,
  Daß, die sonst abgeschieden wohnen,
  In dir sich einen schwesterlich?
Von allen, was dein Knecht bewundert,
  O sprich, was ist am meisten dein?
  Wie, oder ist von allen hundert
  Dein eigen nichts, als nur ihr Schein?
So sprich, aus welchen Zauberhöhlen
  Dein Geist die Schmeidigkeit sich nimmt,
  Die zur Bestrickung armer Seelen
  In tausend Windungen sich krümmt?