68.
Was vorzuziehn von beiden,
Ob erst' oder letzte Liebe?
Wenn dieser Streit mir zu entscheiden bliebe,
So müßt' ich für die letzte mich enischeiden.
Ist Lieb' ein Himmelslicht,
Das uns auf Erden leuchtet;
So ist die erste Liebe, wie mich deuchtet,
Der erste Strahl, der aus dem Dunkel bricht.
Zur vollen Klarheit gnügt ein Fünkchen nicht;
Und wer sich kann am Glanz des Mittags weiden,
Der wird des Morgens Dämmrung nicht beneiden.
Ist Lieb' ein Frühlingsblühn
Im Garten unsrer Herzen;
So gleich die erste der Biol' im Märzen,
Die zart uns lockt, doch wird die Flur nicht grün.
Oft stirbt am Froste, was sich wagt zu kühn;
Der Mai wird erst mit farbigen Geschmeiden
Die süße Braut ganz dauerhaft bekleiden.
Wo Lieb' ein Faden heißt,
Den Herz an Herze spinnet;
So ist die Kunst noch schwach wann sie beginnet,
Und hauchet Fädchen, die ein Hauch zerreißt.
Gefühl der Meisterschaft macht erst sie dreist,
Bis sie zuletzt den Faden dreht von Seiden,
Den Parzenscheeren nur allein zerschneiden.
Drum, wenn der Streit mir zu entscheiden bliebe,
Was vorzuziehn von beiden,
Ob erst' ob letzte Liebe?
So müßt ich für die letzte mich entscheiden.
