Ich fuhr auf schwankem Kahne¶
44.
Ich fuhr auf schwankem Kahne,
Mit ungewissem Sinn,
Im Lebensozeane
Geworfen her und hin.
Alswie Odysseus weiland,
Doch nicht mit seinem Muth.
Da war vormir ein Eiland
Gestiegen aus der Fluth.
Das Eiland der Sirenen
Erkannt' ich am Gesang,
Der so mit süßem Sehnen
Zu mir herüber klang:
O Schiffer komm, und lege
Den müden Nachen bei!
Komm, und in stiller Pflege
Werd' eitler Arbeit frei.
Wie lange willst du steuern
Durch Müh' und Noth dein Schiff?
Im Meer, dem ungeheuern,
Befahren Klipp' und Riff?
Wie lange willst du schweifen
Die Wogen auf und ab,
Bis dich wird ein' ergreifen
Und ziehn in's kalte Grab?
O gib des Lebens Kürze
Nicht allen Winden preis!
Komm, und den Becher würze
Des Daseins dir mit Fleiß.
Hier winkt, dem lauten Tosen
Entrückt der Menschenfluth,
Das Eiland, wo auf Rosen
Der ew'ge Friede ruht.
Hier brechen sich die Wogen
Am sanften Borde kaum.
Und haben nie betrogen
Den Schläfer um den Traum.
Hier sind die kühlen Schatten,
Wo leise Lüste wehn:
Hier sind. die grünen Matten,
Wo süße Quellen gehn.
Hier sind die Blüthenlauben,
Hier ist der Baum mit Frucht,
Des Herbstes reife Trauben,
Des Frühlings Rosenzucht.
Der Frühling, den kein kalter
Hauch eines Winters neckt;
Die Jugend, die kein Alter
Aus ihren Spielen schreckt
Was wohnen strenge Musen
Am steilen Helikon?
Am weichen Meeresbusen
Ist unser Liebesthron.
Wo Amor ist der Schenke,
Und Grazien Huris,
Schlürft Seliigkeitsgetränke
Anakreon-Hafis.
Anmerkungen¶
- Anakreon
griechischer Lyriker
- Hafis
persischen Dichter