Ein weißes Blüthenglöckchen

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Ein weißes Blüthenglöckchen,
  Unschuld'ger Neubegier,
  Am lebensfrohen Stöckchen,
  Sah ich dich stehn vor mir.
Und wieder um ein Weilchen
  Verwandelt sah ich dich,
  Ein schwermuthvolles Veilchen,
  Voll Duft gesenkt in sich.
Und um ein Weilchen wieder
  Da blühtest du so voll,
  Daß unter'm knappen Mieder
  Die Rosenfülle schwoll.
Und Nachtigallgekose
  Und Ostwinds Schmeichelei,
  Sie sagten, daß die Rose
  In dir erstanden sei.
Wer ist die, der's gelungen,
  Die wunderbare Macht,
  Die die Verwandelungen
  Des Frühlings still vollbracht?
Daß Veilchenschwermuthsbläue
  Erst aus Schneeglöckchenmuth,
  Und dann aus Veilchenscheue
  Wuchs Rosenliebesgluth?