64.
Ein weißes Blüthenglöckchen,
Unschuld'ger Neubegier,
Am lebensfrohen Stöckchen,
Sah ich dich stehn vor mir.
Und wieder um ein Weilchen
Verwandelt sah ich dich,
Ein schwermuthvolles Veilchen,
Voll Duft gesenkt in sich.
Und um ein Weilchen wieder
Da blühtest du so voll,
Daß unter'm knappen Mieder
Die Rosenfülle schwoll.
Und Nachtigallgekose
Und Ostwinds Schmeichelei,
Sie sagten, daß die Rose
In dir erstanden sei.
Wer ist die, der's gelungen,
Die wunderbare Macht,
Die die Verwandelungen
Des Frühlings still vollbracht?
Daß Veilchenschwermuthsbläue
Erst aus Schneeglöckchenmuth,
Und dann aus Veilchenscheue
Wuchs Rosenliebesgluth?