Der Frühling war im Hauch der Lüfte

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Der Frühling war im Hauch der Lüfte,
  Und in der Sonne mildem Schein;
  Doch mischten keine Blumendüfte
  Sich, keine Blumenfarben, drein.
Wohl an der heitern Himmelsbühne
  Stand lächelnd das verklärte Blau,
  Doch wollte nicht dass frische Grüne
  Hervor sich wagen auf der Au.
Da wandelte, im grünen Schleier,
  Sie ihren Garten auf und ab;
  Was gibt er ihr zur Frühlingsfeier,
  Der ihr so oft sein Schönstes gab?
Er hat ihr heute nichts zu geben,
  Er ist so arm, es kränkt ihn still,
  Er kann den Frühling nicht erstreben,
  Den er ihr gerne opfern will.
Und hast du nichis ihr darzubringen,
  O schmachte nicht in eitlem Harm!
  Versuch' ihr selbst es abzuringen;
  Sie ist so reich, als du bist arm.
Da langt als ein verwegner Freier
  Ein übermüth'ger Rosendorn
  Nach der Gebietrin grünem Schleier,
  Und hält ihn fest in süßem Zorn.
Er segnet seines Glückes Loose,
  Zu prangen mit geborgtem Grün,
  Und sieht erstaunt die Frühlingsrose
  Des Angesichts im Grünen blühn.