Wiegen - Wiegen - Wiegenlieder!

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Wiegen - Wiegen - Wiegenlieder!
  Wiegenlieder meinem Schmerz!
  Alle Qualen wachen wieder,
  Und zerfleischen mir das Herz.
Was du gestern mir gesungen,
  Lied! was nützt es heute mir?
  Heut, von neuem Weh durchdrungen,
  Fordr' ich neuen Trost von dir;
Zwar mich trösten deine Stimmen,
  Doch nur einen Augenblick,
  Wie sie in die Welt verschwimmen
  Faßt mich neu mein Mißgeschick.
Wie dem unmuthvollen Kön'ge
  Saul die Wolk' ins Antlitz stieg,
  Alsobald die wundertön'ge
  Harfe Davids vor ihm schwieg.
Wie der letzte Klang verstummet,
  Wacht vom Schlummer auf die Qual.
  Tausendmal mir eingesummet,
  Mir erwacht sie tausendmal.
Ach, was frommen diese Lieder,
  Die so kurz und flüchtig sind?
  Immer, daß es ende wieder,
  Fürcht' ich sehen, wie eins beginnt.
Laßt ein großes mich beginnen,
  Einen ew'gen Zauberbann
  Der mir nicht dürf' eh'r zerrinnen,
  Bis mein Leben drin zerrann.