59.
Wieviel Lüftlein auf den Höhn,
Wieviel Bächlein im Thale gehn
Ueber die grünen Heiden;
Wieviel Sternlein am Himmel flittern,
Wieviel Blättlein an Bäumen zittern;
Soviel Wünsche send' ich nach dir
In Schmerzen und zitternden Freuden.
Wär' ich der gold'ne Sonnenschein,
Jeder Strahl ein Gedanke mein,
Und jeder Schimmer ein Sehnen,
Wollt' ich mit einem Flammenkranz
Dir umflechten die Locken ganz,
Daß du strahltest als meine Braut,
Die schönste von allen Schönen.
O wenn ich dürfte die Hütte sein,
Die sich über dich senkt herein,
Dich enge zu umfassen!
Wie dein Leib in der stillen Hütte,
Wohnt dein Geist mir in Herzens Mitte;
Thür' und Thore verschlossen sind,
Du kannst dein Haus nicht verlassen.
Wenn der Durst mich drückt auf den Wegen,
Springt sein kühler Quell mir entgegen,
Deine Liebe, da trink' ich;
Wenn ich wandre in finstrer Nacht,
Ist die Fackel mir angefacht,
Seh' ich voraus mir die Fackel ziehn,
Nimmer matt' ich noch sink' ich.
Wenn ich wär' in der neuen Welt,
Vor mir die endlose Meerfluth geschwell!
Rief' ich hinaus in das Grausen,
Daß sie es sagte zu fernen Klippen,
Und die es sagten mit steinernen Lippen
Ueber Berge, Wälder und Thal,
Bis du es vernähmest mit Brausen.
Rufen will ich in Frühlingshainen
Meinen Namen und den deinen,
Daß ihn die Vögelein lernen;
Fliegen sie hin auf ferner Bahn,
Wo ich ihnen nicht folgen kann,
Wenn sie dir bringen den Gruß von mir,
Rufe mir Dank in die Fernen!
Wenn du nicht weißt, was die Bächlein sagen,
Denke nur, sie wollen klagen,
Daß wir uns mußten scheiden;
Wenn ein Busch seine Zweige senkt,
Denke nur, daß er sich kränkt,
Daß er nimmer auf grünem Moos
Schatten kann streu'n uns beiden.
Wenn der, Herbst die Lilien bricht,
Denk' und weine, so zu nicht
Ist uns worden die, Liebe;
Wenn der Frühling aus Schnee und Eis
Wieder rufet das grüne Reis,
Denke, so aus der Trennung soll
Wieder uns blühn die Liebe.
Wenn du die glühende Rose pflückst,
Und sie warm an den Busen drückst,
Gedenke, wie ich dich liebe!
Hundert Blätter die Rose hat,
Und es steht auf jedem Blatt
Geschrieben mit Herzblut und Morgenroth:
Liebst du mich, wie ich dich liebe?
O ihr Blumen, du stille Schaar,
Hütet die Liebste mir immerdar
Mit euern Engelsaugen;
Nehmet von ihr den Liebesblick
Und gebet eueren ihr zurück;
Laßt bald wieder aus euch und aus ihr
Neu seliges Leben mich sangen!