Nun komme, was liebet

                       77.

Nun komme, was liebet, nun komm' es zu zweier
  Verliebten, Verlobten vermählender Feier!
  Die Schöpfung, die sonst sich um Liebe gedrehet,
  Sie dreh' sich in Lieb' um die Braut und den Freier!
  Das Zimmer, sich wandl' es in Gärten des Himmels;
  Der Winter, verzaubert zum Frühlinge sei er!
  Der Odem der Liebe, statt Ostwindes dien' er,
  Den stockenden Lüften die Regung verleih' er!
  Der Blick der Geliebten ersetze die Sonne,
  Aus drängenden Knospen die Rosen befrei' er!
  Komm', Nachtigall, sing' uns ein Lied hier, wie jenes,
  Wodurch dir im Nest sich beleben die Eier!
  Ihr Tauben in Lauben, o girret und schwirret!
  Lahm sei, euch zu schrecken, der Flügel dem Geier.
  Schwing' Falke der Luft, dich, und hol' mir aus Lüften
  Die Beute des Glückes, den glänzenden Reiher!
  Zieh' magische Kreise aus feuchten Krystallen,
  O Schwan, mit Gesängen berud're den Weiher!
  O Dichtergenosse, prophetischer Vogel,
  Sei heute dem Dichter ein Heilprophezeier!
  Wir pflanzen im Garten zum Baum der Erkenntnis;
  Den Baum des Genusses; still wurzelnd gedeih' er!
  Sanft schwelle der Apfel, und winke vom Zweige,
  Und seinen Genießer der Sünde nicht zeih' er!
  Die Unschuld ist wieder durch Liebe gewonnen;
  Der Geist fühlt im Bande der Sünde sich freier.
  Profane! wir wollen die Weihe beginnen;
  Hinweg, Ungeweihte, den Blick, den Entweiher!
  Nacht, heilige Göttin, Allmutter des Lebens,
  Zieh' um uns den Himmel, den bräutlichen Schleier!
  Wir ruhen im Dufte des Schleiers der Liebe;
  Hell tönet vom Himmel die mystische Leier.