1833.
Darf verliebt der eigne Vater
In die eigne Tochter sein?
Heute bin ich es in spater
Abendzeit bei Kerzenschein
Gewesen in mein eignes kleines Töchterlein.
Aus verkühlter Arbeitstubeen
In das Kinderzimmer warm
Flüchtet' ich, und von den Buben
Haust im Freien noch der Schwarm,
Und ungestört mein Kindchen nahm ich auf den Arm.
Wie ich so mit stätem Gange
Auf und ab das Zimmer schritt,
Legt' ich mein' an ihre Wange,
Die es ganz geduldig litt,
Sie schien zu fühlen, etwas sei gemeint damit.
Und wir machten auf und nieder
Immer schweigend unsern Gang;
Da erwachten alte Lieder,
Die in mir geschlummert lang,
Die Liebeslieder die ich ihrer Mutter sang.
Niemals hab' ich die gelesen,
Seit sie aufgeschrieben ruhn,
Weil es nie mein Brauch gewesen
Abgethanes neuzuthun;
Und auch die Mutter hat nicht Zeit zu lesen nun.
»Darum also« — unter'm Gehen
Sprach ich dieses ohne Wort;
Und sie schien es zu verstehen,
Denn sie lauschte heimlich fort ——
»Sei dir geweiht der elterliche Liebeshort!
Deine Mutter wird nicht schelten,
Weil sie gern sieht, was mich freut,
Daß, die galten ihr, dir gelten,
Die in dir sich selbst erneut;
So nimm sie, die du zwar noch nicht kannst lesen heut!
Soviel kann ich mich entsinnen,
Ob ich nie zur Hand sie nahm:
Nichts geschrieben steht darinnen,
Was nicht aus dem Herzen kam,
Und du als Jungfrau lesen einst kannst ohne Scham.
Wann du in des Brautbekröners
Reigen eintrittst säuberlich
Sing' ein Bräut'gam dir ein schöners
Lied, als deiner Mutter ich!
Und neiden werd' ich ihm sowenig das als dich.«