Kletter-Unterricht

Daß ihr klettert, liebe Buben,
 Will ich euch erlauben.
 Warum solltet ihr in Stuben
 Hängen als Schlafhauben?
Mögt ihr aus dem Wipfel heben
 Ein Paar Vogeleier,
 Wird es eben mehr hier geben
 Ein Paar Vogelgeier.
Oder wollt ihr um die Früchte
 Einen Baum brandschatzen,
 Mehrt ihr eben das Gezüchte
 Räuberischer Spatzen.
Wenn ihr was ihr könnt erklettert,
 Will ich's euch nicht wehren;
 Nur daß ihr euch nicht zerschmettert,
 Höret meine Lehren!
Dieses merkt euch daß ihr keinen
 Ast je fahren lasset,
 Ehbevor ihr habet einen
 Anderen erfasset.
Einem dürren Aste nimmer
 Müßt ihr euch vertrauen;
 Sicher ist es selbst nicht immer
 Auf die grünen bauen.
Besser als am besten Zweige
 Haltet euch am Stamme,
 Ob euch jener Glätte zeige,
 Dieser rauhe Schramme.
Denn die Zweige selber müsssen
 Nur am Stamm sich halten,
 Der allein auf eignen Füßen
 Steht sie zu entfalten.
Vorsicht ist die beste Schanze:
 Nie auf einem Aste
 Fußet so, daß drauf die ganze
 Wucht des Körpers laste.
Stützt euch hier und dort beschicket
 Eine Widerlage,
 Daß, wenn etwa hier es knicket,
 Es euch dort noch trage.
Immer sollt ihr auf die Stärken
 Euch hauptsächlich stützen,
 Doch daneben wohl zu merken,
 Schwächen auch benützen.
Manche Zweiglein sind unstreitig
 Für sich selbst nur schwächlich,
 Sich verstärkend wechselseitig
 Sind sie unzerbrechlich.
Klettert nur mit rechtem Ernste,
 Machet keine Künste!
 So erreichet ihr das fernste,
 Und euch trägt das dünnste.
Doch indem ihr Fuß und Hände
 Drängt zur Höhe munter,
 Denket auch, wie ihr am Ende
 Wieder kommt herunter.