Episteln

                           2.

Höre, mein Arzt, womit mir zu helfen ist, hilf mir nur diesmal!
 Lang schon forschend und lauernd, wie meiner Bitteren wäre
 Beizukommen mit einem Geschemkelchen, hab' ich zu guter
 Stunde nun endlich erlauscht, sie werd' am künftigen Festtag
 Gehn mit andern zugleich zum Markt des benachbarten Städtchens,
 Einzukaufen daselbst ein Spiegelchen, um des zerbrochnen
 Stell' an der Wand der Kammer, darin sie schläft, zu ersetzen.
 Denn obgleich an dem Haus ihr zunächst ein ziemlicher Bach fließt,
 Mit recht spiegelnden Wellen, solang' nicht regnet wie heute,
 Ist sie doch leider nicht ländlich genug, am Spiegel des Wassers
 Sich genügen zu lassen, und den von Glas zu entbehren.
 Höre nun, was du erräthst! wie ich sogleich mich besonnen,
 Ihr zu verderben die Freude des Markts, und selbst ihr den Spiegel
 Einzumarkten durch dich. Was lächelst du? Seltsams Handwerk
 Lehrt oft Amor uns treiben; was aber könnt' er uns lehren
 Passenderes, als Spiegel, zervrechliche Gläser, zu kaufen?
 Drum, du darfst dich nicht sträuben, geschwind und kaufe den Spiegel
 Denn in euerer Stadt ist alles zusammengestapelt,
 Was man schönes begehrt (das lebende Schöne verbleib' euch
 Unbestritten für jetzt!), und auch zum Markte des Städtchens,
 Wo mein Kind sich zu holen gedenkt ihr kleines Bedürfnis,
 Kommen die Schnitzel allein, die eure Krämer uns bringen,
 Dessen, was ihr nicht mögt. Wie könnt' ich es besser denn machen,
 Als dazu dich zu brauchen (zn wenigem bist du zu brauchen,
 5ei's zu diesem mir nur!) durch dich dort gleich aus des Schönen
 Sammelverein zu beziehn das Gewählteste, ohne zu warten,
 Was auf dem Karren des Krämers der Gaul erst bringe des Zufalls.
 Wähle mit sinniger Hand, und denke, für wen und für welche!
 Werth sei's meiner Liebe für sie, werth deiner für mich auch.
 Aber das wär' unendlich, und hier gilt's Grenzen zu setzen.
 Also, wie breit und wie lang? So lang und so breit als genug ist,
 Nicht für ein Prunkgemach, ein fürstliches, sondern ein stilles
 Oertchen, wo er soll hangen, um keinerlei Ort zu beneiden.
 Also nur eben so lang daß, wenn das Mädchen hineinschaut,
 Unter dein zierlichen Köpfchen der Hals auch noch und des Busens
 Oberste Ränder sich zeigen, die schwellenden, ohne daß drüber
 Ueber den Spiegel hinaus entrücket werde das Häubchen.
 Und desgleichen so breit nur wenigstens, daß ich zu höchster
 Noth, wenn ich enge genug an die Schläf' ihr mich schmieg', in dem Glas
 Ihrem Gesicht zur Seite mein eigenes kann mit den dunkeln
 Locken sehn, wie die Wolke, die schattende, neben der Sonne.
 Suche nur recht was tüchtiges aus, und laß dich vom blöden
 Aug' einmal nicht berücken, du kannst ein andermal blind sein;
 Daß dir nicht etwa ein Flecken entgeh', und sei es ein kleiner,
 Der, nicht zufrieden im Glase zu stehn, auch auf das Gesicht sich
 Prägen will ihr, an der ich im Bild auch Flecken nicht dulde;
 Oder daß gar er mir sei von den tückischen einer, der Spiegel,
 Welche die gradesten Züge zu widriger Schiefe verzerren.
 Auch ein solcher nicht sei's, der, lebende Farben beneidend,
 Dämpft die Röthe der Wangen zu todtenähnlichem Bleigrau.
 Lieber auf feuchtem Grund, um die Wahl ein wenig zu dunkel,
 Mag er mein bräunliches Mädchen noch etwas bräuner mir malen.
 Wie nun von außen der Kern zu verzieren sei, oben und unten,
 Und an den Seiten umher, das steht, um deinen Geschmack auch
 zeigen zu können, bei dir; nur wähle mir nichts zu modestes,
 Oder zu einfachedles, ehr' helle gesiillige Farben.
 Götter der Lieb' auf dem Rahmen sind überflüssig; die Liebe,
 Die mir hinein soll schau'n, sie kennt sie nicht, und sie bedarf's nicht.
 Eins nur bitt ich zuletzt, du Lässiger, daß du mir diesmal
 Deine Gewohnheit änderst, und eilest, damit ich zur rechten
 Stunde das Liebesgeschenk aus deinen Händen empfange.
 Wenn ich den Boten dir send', und du sendest ihn leer mir zurücke,
 Und verdirbst mir die Lust, die ich so schön mir geordnet!
 Denn schon hab' ich mich heimlich einmal zur Kammer geschlichen,
 Und in der Wand den Nagel befestiget, wo die Bescherung
 hangen soll; am Vorabend des Markttags aber noch einmal
 Schleich' ich des Wegs, und bringe den heimlichen Markt in die Kammer,
 Ordnend alles geschickt und geschwind. Ei, daß du mir schöne
 Bänder nur auch nicht vergessest, daran der Spiegel soll hangen!
 Wenn sie dann kommt, zur Ruhe zu gehn, und weiter nicht Acht hat
 Daß sie zum Schlafengehn mit keinem anderen Licht sich
 Leuchtet, als ihren Augen, ist eben zu meinem Betrug recht
 Wenn sie dann morgens erwacht, und gleich mit dem ersten der Blicke
 Trifft aus das neue Geräth, ich wette, sie wähnet, sie träume.
 Wenn sie dann aber die Augen sich reibt, daß der Spiegel verschwinde,
 Und er doch nicht verschwindet, besinnt sie sich endlich auf's Wahre.
 Und dann muß sie vom Bett, und muß neugierig in's Glas schau'n.
 Möcht' ich selber der Spiegel doch sein, daß in mir sie sich schau'te!
 Seht sie nun doch auf den Markt, da bereits der Spiegel gekauft ist?
 Freilich jawohl! sie hat vielleicht noch andres zu kaufen,
 Wenigstens alles zu sehn, und selbst sich sehen zu lassen.
 Wo ich dann im Gewühl ihr begegene, möchte mit einem
 Blicke, dafern sie zu Worten nicht Zeit hat, oder mit einem
 Druck im Vorübergleiten der leisen Hand sie mir danken!