Den Winter hör' ich schelten,
Es spricht ein Städter nur:
Im Sommer lass' ich's gelten
Zu wohnen auf der Flur;
Doch in des Winters Schauern,
Zieh' ich mir vor die Mauern,
Zu frostig ist mir die Natur.
Natur, in deiner Fülle
Hat er dich nicht geschaut,
Ihm hat die äußre Hülle
Gefallen an der Braut;
Doch wie du mögest ändern
Mit Farben und Gewändern,
Du bleibst mir immer lieb und traut.
Ich habe dein Erwachen
Belauscht im Sehneegewand,
Wo als dein erstes Lachen
Die Anemon' ich fand;
Dann las ich manches Weilchen
Als deine Grüße Veilchen,
Und Primeln Winke deiner Hand.
Ich hab' an deinem Kranze
Die Blätter wachsen sehn,
Ihn dann im vollen Glanze
Auf deinem Haupte stehn,
Da du betratst die Bühne
Im Festschmuck und das grüne
Gewand dir hob der Mailuft Wehn.
Wie aus dem Morgenschleier
Du hast geschüttelt Duft,
Und bei des Abends Feier
Geathmet frische Luft,
Ich bin dir nachgeschritten
Auf allen blum'gen Tritten
Durch Wies' und Feld und Wald und Kluft.
Mein Auge füllten Zähren
Beim Anblick deiner Pracht,
Als ob's die Perlen wären,
Die dir der Thau gebracht:
Und jeder Regenbogen,
Der deinen Saum umzogen,
Hat farbig mir in's Herz gelacht.
Wach', wenn die Morgenröthe
Dir guten Morgen bot
Froh harrend, bis dir böte
Gutnacht das Abendroth;
Wie dich die Sonne krönte,
Wie dich der Mond verschönte,
Warst du mein Früh- und Abendbrot
Mit deiner Lerchen Schwirren
Zum Himmel schwang ich mich,
Mit deiner Tauben Girren
Durch Büsche schlang ich mich;
Mit deinen Nachtigallen,
Mit deinen Sängern allen,
In dich hinein versang ich mich.
Aus Bächen und aus Quellen
Hast du mir zugerauscht,
Aus lichten Waldesstellen
Hast du mir zugelauscht;
In Wiederhalles Tönen
Und in des Sturmes Dröhnen
Hast du Gespräch mit mir getauscht.
Es hat kein Zwang der Schulen
Mein Herz vor dir verbaut,
Ich hatte Zeit zu buhlen
Um meine süße Braut.
Der Menschenwelt gefernet,
Hab' ich nur dich gelernet,
Dir nachgesprochen jeden Laut.
Ich habe dich gehalten,
O Herzenskönigin,
In wechselnden Gestalten,
Erst frohe Schäferin,
Geschmückt mit allen Farben,
Und dann auf goldne Garben
Gelehnet, müde Schnitterin!
Und als du mir die Rose
Nicht bieten konntest mehr,
Da botest du im Schooße
Die Früchte segenschwer,
Und lächeltest so sinnig,
Mich rührt' es tief und innig,
Wie du dein Füllhorn gossest leer.
Wenn nun die Blumen fliehen,
Die du so zart gepflegt,
Die Vögel von dir ziehen,
Die du im Rest gehegt;
Sollt' ich dich auch verlassen?
O nein, ich will dich fassen
An's Herz, solang dein Herz noch schlägt!
Und wenn du nun zum Grabe
Dich geben mußt hinab;
Sieh', welche reiche Habe
Mir deine Liebe gab!
Die will ich nicht vergraben,
Mit deinen eignen Gaben
Will ich dir schmücken schön dein Grab.
Du hast mit solchen Strahlen
Durchleuchtet mein Gemüth,
Daß auf des Herbstes kahlen
Gefilden Frühling sprüht;
Du hast mein Herz durchsungen
Mit sommerlichen Zungen,
Daß ein Gesang der Winter blüht.
Die Farben sind enthoben
Nun all' der ird'schen Flur,
Am Himmel blühn sie droben
Verklärter, schöner nur;
Durch Wolken-Silberstreifen
Gehn Gold- und Purpurschleifen,
Und Perlenstränge durch Azur.
Dort wo die Sonne sinket,
Das ist kein Abendroth,
Wie mit Karmin geschminket
Der Sommerabend bot;
Das ist ein Meer von Gluthen,
Von Wunden welche bluten,
Ein ew'ges Leben blüht im Tod.
Ja, ob mit Tod durchschauert
Das Erdenmark der Ost,
Die Liebe blüht und dauert
Ein farb'ger Augentrost;
Ob Frühlingsgluth zerstiebe,
Am Himmel glüht die Liebe,
Sich spiegelnd hell im Erdenfrost.
Des Baumes Aeste ragen
Kahl aufwärts in den Raum,
Wo sie statt Blätter tragen
Der Sterne goldnen Traum:
Es ist als ob sich neige
Der Mond am höchsten Zweige;
O schöngeschmückter Weihnachtsbaum!
Nicht wann der Erde Glieder
Umhüllet Blumenpracht,
Und Nachtigallenlieder
Die Lieb' hat angefacht;
Die Engel, die sich neigen
Der höchsten Liebe, steigen
Hernieder in der Winternacht.