Pfarrer und Kaplan.

Der Weg nach Großenbarrdorf
  War öd' und etwas fern;
  Nach dem kathol'schen Pfarrdorf
  Ging ich doch immer gern.
  Der Pfarrer dort, Herr Reuter,
  War uns ein Freund, ein theurer,
  Wir Ketzer waren lieb dem alten Herrn.
Gar finster war sein Zimmer,
  Doch seine Seele licht;
  Die Köchin zeigt' uns immer
  Ein unhold Angesicht;
  Es kam doch mehr vom Fehle
  Des Auges, als der Seele,
  Sie schielte nur, schel sah sie darum nicht.
Sie hatt' uns doch am Ende
  Nichts übles zugedacht,
  Und immer recht behende
  Den Tisch zurecht gemacht;
  Wo dann der Wirth sich schürzte,
  Mit Geist und Laune würzte
  Den Kohl, den sie den Gästen fad gebracht.
Doch wann zu Haupt gestiegen
  Des edlen Weines Dunst,
  Begann der Greis zu fliegen
  Mit jugendlicher Brunst;
  Da sprach er frei und mächtig,
  Wenn auch nicht stets bedächtig.
  Statt vom Brevier, vom Heiligthum der Kunst.
Warf er den ersten Funken
  Vielleicht mir in's Gemüth?
  Vom Wein, den er getrunken,
  Hat mich ein Hauch durchglüht;
  Ich sah von Sterneschleier
  Umwoben eine Leier
  Von oben, untenher von Ros' umblüht.
War mir nur aufgegangen
  Im Geist des Bildes Schau?
  Sah an der Wand ich's hangen?
  Ich weiß es nicht genau
  Wo wirklich die gemalte
  Die Muttergottes strahlte,
  Mit Lächeln nannt' er sie die schöne Frau.
Schon war die Morgenröthe
  Am deutschen Helikon
  Gegangen auf in Goethe,
  Und ob den Wolken schon
  Als höchster Lerchentriller
  War aufgeschwungen Schiller;
  Ich aber sah und hörte nichts davon.
Es drang vom Buchverleiher
  Manchmal in meinen Busch
  Wie ein verflogner Reiher
  Ein Ebert oder Dusch;
  Die Bildsäul' und das Bildnis;
  Stand nicht in meiner Wildniß,
  Und ich begnügte mich mit Kreid' und Tusch.
Ich kos't' im Rosegarten,
  Schon matt von Matthison,
  Und schwor zu Gleim's Standarten,
  Dem Frühling Kleist's entflohn,
  Hing fest am Hagedorne,
  Und nagt' am Haberkorne
  Von Isaak Maus und ward nicht satt davon.
Da wies der Greis zur Beute
  Mich hin auf andres Erz.
  Es waren seine Leute
  Catull, Tibull, Properz.
  Er weiß, daß in der Schule
  Um röm'sche Mus' ich buhle,
  Da macht er sich zum Nachtisch einen Scherz.
Das Lied war aufgeschlagen,
  Leicht Romas schönste Braut,
  Obgleich nur übertragen
  Aus Sappho's weichem Laut:
  »Den Göttern scheint zu gleichen,
  Ja Götter dem zu weichen,
  Der dich, genüber sitzend, hört und schaut!«
Ich dolmetscht' ohne Stocken,
  Daß er es göttlich hieß;
  Dann kam ein dunkler Brocken,
  An den ich mich nicht stieß;
  Doch schnell mit Lächeln schlug er
  Geheimniszvoll unkluger,
  Das Buch zu, daß mich's voll Gedanken ließ.
Gespräches neue Wendung
  War daraus wohlgethan;
  Nachtrat mit seiner Spendung
  Dem Pfarrer der Kaplan,
  Ein jung besonnen kalter,
  Der, wo sein feur'ger Alter
  Zu lebhaft stürmte, nur ihn leis' hielt an.
Nicht eitle Zeitvertreibung
  Belehrung ernst und tief,
  Sucht' er, wann die Beschreibung
  Von Reisen er durchlief,
  Und zu des Bild's Belebung
  Ausländische Umgebung
  Hervor in hundert Blumenscherben rief.
Es schien ihm nichts zu fehlen,
  Wann, sowie am Altar
  Er stand um zu vermählen
  Des Dorfes Paar und Paar,
  Er Blumen auch vermählte,
  Die er zu Bräuten wählte
  Und Kindern, so daß er nicht eh'los war.
Von fremder Länder Sitten
  Wann er erzählt' einmal,
  Da war es mir als schritten
  Gestalten durch mein Thal,
  Und über'm Berge schauten
  Gewölk, welche grauten,
  Dahinter schlief vom Orient mein Strahl.
Sei Frieden euren Aschen!
  Längst beide gingt ihr ein,
  Der ernste mit dem raschen,
  Der eine warm von Wein,
  Der andre bei den Sprossen,
  Vor Menschen abgeschlossen,
  Ward, wie es schien, nach außen endlich Stein.
Dort aber ging ich trunken
  Zurück vom Dorf, am Hag,
  Wo trümmerhaft gesunken
  Der Marter-Bildstock lag.
  Mein Alter, wenn sie's thuen
  Ihm kund, spricht: Laßt ihn ruhen,
  Gestanden hat er ja so manchen Tag!
Sie werden's ihm verdenken,
  Und einen Klagbericht
  Wird selbst sein Küster lenken
  An's geistliche Gericht;
  Das giebt ihm eine Nase,
  Warum er aus dem Grase
  Den alten Glauben woll' erheben nicht?
Noch einen andern Weiser
  Hab' ich am Weg erblickt,
  Frisch eingeimpfte Reisen
  Frisch wieder abgeknickt.
  Wenn der Kaplan geht impfen
  Die Willlinge, so schimpfen
  Die Bauern, daß sich nicht das Kuppeln schickt.
Er wollte sie veredeln,
  Das räumen sie nicht ein;
  An ihren alten Wedeln
  Soll nichts geneuert sein.
  Ja lieber impfen möcht' er
  Selbst ihre Frau'n und Töchter,
  Das würden sie herkömmlich ihm verzeihn.