Sonntagstauß.

Ich stand im hohen Garten
  Vor meines Vaters Haus,
  Des Samstagwerks zu warten,
  Ich theilte Blumen aus;
  Die Mägdlein und die Knaben
  Sich drängten zu den Gaben,
  Denn einen Sonntagstrauß
  Will doch im Dorfe jedes haben.
Wie auf dem Rand der Mauer
  Ich gleich dem Frühling stand,
  Entströmten Blüthenschauer
  Freigebig meiner Hand.
  Sie fielen auf den Haufen
  hinunter, daß ein Laufen
  Und Langen rings entstand,
  Ein Ringen, Rennen, Reißen, Raufen.
Ich zielte nicht geflissen,
  Wohin jedwedes fiel,
  Mir g'nügte das zu wissen,
  Daß jedes fand ein Ziel;
  Nur eine einz'ge Rose
  Bewahrt' ich mir im Schooße,
  Die zart besetzt am Stiel
  Anstatt mit Dornen war mit Moose.
Es stand gleich einem Sterne
  Entfernt ein schönes Kind,
  Der hätt' ich gar zu gerne
  Geschenkt das Angebind
  Sie hätt' es gern empfahen,
  Doch traut sich nicht zu nahen,
  Und ich kann's nicht im Wind
  Ihr senden, ohne daß sie's sahen.
Es ist die hohe Mauer,
  Auf der ich bin gestellt,
  Mir recht gemacht zur Trauer,
  Da sie von der mich hält
  Getrennet und geschieden,
  Und auch von ihr vermieden,
  Mit der ich dort gesellt
  Dort unten wär' o wie zufrieden
Ich will mich heute fassen,
  Und morgen von dem Chor
  Der Kirche fallen lassen
  Das Rös'lein. O du Thor!
  Wird es ein Engel lenken,
  Daß es sich müsse senken
  Auf ihren Busenflor,
  Und sie ermahnen, mein zu denken?