1.
Ist das Jahr ein Bild des Lebens
In dem eingepreßten Kreis
Seines Auf- und Niederschwebens
Aus dem Eis zurück in's Eis,
Durch ein Streifchen Gluth dagwischen,
Das, damit im Todeskuß
Frost und Frost sich nicht vermischen,
So nothdürftig wehren muß?
In der Wiege, neugeboren,
Wo das stumme Kindlein liegt,
Die aus Eis ist fest gefroren,
Und von Stürmen umgewiegt,
In der weihnachtlichen Wiege
Hat das Kindlein bangen Traum
Von des Lebens ew'gem Kriege
Durch des Jahres kurzen Raum.
Hat es aus den weißen Windeln
Nun sich ringend losgemacht,
Freudig ihm beginnt zu schwindeln
Vor erschlossner Frühlingspracht --:
Armes Kindlein, bist nicht sicher,
Wenn ein schöner März dich weckt,
Daß nicht ein veränderlicher
Trug-April dahinter steckt.
Von geheimen Winterschauern
Kann der Lenz dich nicht befrein,
Und die tück'schen Fröste lauern
Tief bis in den Mai hinein.
Wann die Nachtigallen brüten,
Friert im Ei der Vogel oft;
Wenn man träumt vom Schnee der Blüthen,
Kommt noch andrer unverhofft.
Endlich ist die Furcht vergangen,
Doch die Hoffnung auch vorbei,
Und kein neues Frühlingsprangen
Kommt nach abgeblühtem Mai.
Wann die heisere Cicade
Zu der heißen Arbeit mahnt,
Heimst der Sommer seine Schwade,
Weil er schon den Winter ahnt.
O Geschick des Jahrs, wie kläglich!
Wenn man erst den Frost vergißt,
ist die Gluth gleich unerträglich,
Daß man schon die Kühlung mißt.
Wann die kühlen Früchte reifen,
Die nicht hat die Gluth versengt,
Hat der Herbst mit kalten Reifen
Auch die Blätter fahl gesprengt
Und da ist der Winter wieder,
Der ja kaum vorüber war,
Und das Kindlein legt sich nieder,
Abgestorben ganz und gar,
Abgelebt zum müden Greise
Durch des Jahres Wechselnoth,
Und des Lebens bange Kreise
Schließt der starre dumpfe Tod.