38.
Einen klassischen Dichter in den Händen,
Den romantischen Frühlingshain durchirrend,
Konnt' ich lesend und wandelnd nicht vereinen
Jene Klassicität und die Romantik.
Wenn ich blickt' in das Buch, erschien mir's farblos
Vor dem schwellenden Knospendrang des Lebens;
Wenn ich schaut in den grünen Wald, erschien er
Wirrvoll gegen die wohlgebauten Strophen,
Schlecht geordnet die Schatten und die Lichter.
So mißfiel mir das eine durch das andre,
Wechselnd richtete Buch und Welt zu Grund sich.
Müde setzt' ich mich endlich auf den Stein hin,
Wo zum Quellengeriesel Schatten rauschten,
Weiter lesend und blickend aus dazwischen.
Immer lauschender blickt' ich, immer stiller
Las ich, immer versenkter und versunkner;
Ob ich las, ob ich blickte, wußt’ ich selbst nicht.
Immer lieblicher, leiser, flossen, rannen,
Immer inniger, tiefer schmolzen, schwammen
In einander der Frühling und der Dichter.
Verse rieseln in Wellen und symmetrisch
Bauen blühende Landen sich zu Stanzen
Staunend fühl ich von einem Geist mich wiegen,
Der des Lebens und Todes Widerspruch löst,
Von dem Geiste des Schlummers und des Traumes,
Die im Schatten mich überschlichen hatten,
Ohne daß ich es merkte, bis, vom Odem
Einer stürmischen Luft entküßt, ein Baumblatt
Auf das Buch, und das Buch mir aus der Hand fiel.
Schlaf, Vermähler des Himmels mit der Erde!
Traum, Vermittler des Diesseits mit dem Jenseits!
Allvereinende stets vereinte Brüder!
Kommt noch öfter auf meinen Frühlingsgängen
Mir entgegen, und helfet mir studiren!
Kein Ausleger vermag doch auszulegen
Seinen Dichter, wie ihr, aus der Natur, und
Einzulegen die Schöpfung in den Dichter.