Des Schäfers Grabmal.

Der Schäfer sprach zum Blüthenblatt am Strauche:
  Wir blühten beid' an Eines Lenzes Hauche,
  Wir blühten beide und wir welken beide,
  Du an dem Frost und ich an meinem Leide.
Dich einzig hab' ich mir getreu befunden,
  O bleibe treu bis zu des Todes Stunden.
  Wer wird mich, wenn ich sterben soll, mit Klagen
  Zu Grab bestatten? wenn du's willst versagen?
Er spraeh's, und wie er nach dem Blättlein blickte,
  Da sah er, wie es, statt zu reden, nickte,
  Daß er's verstand in seines Herzens Grunde,
  Treu wollt' es bleiben bis zur Todesstunde.
Und als der Frühling vollends war entwichen,
  War auch des Schäfers Antlitz fast verblichen,
  Und wie's das Blättlein sahe, fühlt' es Trauern
  Von jenes Weh' mehr, als von Nordwinds Schauern.
Wie nun dem Schäfer kam des Todes Stunde,
  Gab er sein letztes Ach aus blassem Munde,
  Und macht' erzittern mit des Aches Hauche
  Das treue Blättlein hoch an seinem Strauche.
Das Blättlein brach und senkte sich hernieder,
  Und wollte decken seines Schäfers Glieder;
  Da fand sich's, daß es wäre viel zu kleine,
  Da rief es andern Blattlein rings im Haine.
Und all' die Blätter kamen an in Schaaren,
  Sich mit dem einen, das da rief, zu paaren,
  Und freuten sich, mit ihren zarten Leben
  Ein Leichentuch dem Schäfer abzugeben.
Drauf als der Nordwind den getreuen grollte,
  Sie von des Schäfers Gruft zerstreuen wollte,
  Kam milder Schnee, und barg mit seidnem Flaume
  Die Leichen all' Eines Grabes Raume.
Dort ruh'n vereint der Schäfer und die Blätter,
  Geschirmt in stiller Gruft vor Sturm und Wetter;
  Er ruht in Mitte seiner Treu'n begraben;
  Wo ist der König, der's will besser haben?