Vogeldeuterei.

Zur Mauer, hinter der ich wohne,
  Dringt aus der Stadt kein Glockenschlag;
  Doch Sänger von verschiednem Tone
  Erwecken mich zu jedem Tag.
Und jedes Tags Geschick erkenn' ich
  Aus seines Barden Wecketon,
  Und meine Tage längst benenn' ich
  Nach Glücks- und Unglücksvögeln schon.
Wenn schmetternd wach mich singt die Lerche,
  Schwing' ich mich muthig himmelan,
  Weg über Hütten, Heerden, Pferche,
  Durch Gottes weiten Schöpfungsplan.
Wenn zwitschernd über'm Nest am Dache
  Die Schwalbe mir den Schlummer kürzt,
  Wird vom Gemach und Ungemache
  Der Häuslichkeit mein Tag gewürzt.
Die Nachtigall mag hier nicht brüten,
  Doch manchmal grüßt sie mich im Traum,
  Sie bringt mir abgefallne Blüthen
  Vom Jugendliebelebensbaum.
Dagegen ist von lauten Spatzen
  An meiner Mau'r ein Ueberfluß;
  Sie deuten mir, daß ich verschwatzen
  Des Tages beste Stunden muß.
Ach hätt' ich nur wie andre Sachsen
  Recht am Dociren eine Lust!
  Doch wie der Schnabel mir gewachsen,
  Kann ich ihn so nicht brauchen just.
Und immer hab' ich diese Klage
  Zu hauchen in den Morgenwind,
  Wozu die läst'gen Spatzentage
  Im Nachtigallenleben find.