Waldstille.

Tief im Walde saß ich,
  Und die Welt vergaß ich,
  Die nie mein gedacht;
  Mich in mich versenkt' ich,
  Und mein Sinnen lenkt' ich
  In des Daseins Schacht.
Welt, ich dein vergessen?
  Erst dich recht besessen
  halb' ich fern von dir.
  Wo du mir geschwunden,
  Hab' ich dich gefunden
  Inniger in mir.
Wie durch Bachkrystallen,
  Dir mit Wohlgefallen
  Schau' ich auf den Grund.
  Du bist nicht so böse,
  Wie du mit Getöse
  Selbst es thuest kund.
Draußen im Gewirre
  Kann man werden irre,
  Welt, an sich und dir;
  Fern von deinem Rauschen
  Kann ich dich belauschen
  In mir selber hier.
Leise hör' ich flüstern
  Jedes Blatt der Rüstern,
  Jegliches Gefühl
  Sich im Busen regen,
  Wie die Winde legen
  Sich im Laubgewühl.
Einen leisen Odem
  Hör' ich, der den Brodem
  Haucht hinweg vom Tag.
  Du bist ohne Schleier,
  O Natur, und freier
  Geht mein Herzensschlag.
Durch des Waldes Stille
  Tönt die Sommergrille,
  Und die Unk im Sumpf;
  Lauter oder leiser,
  Keine Stimm' ist heiser,
  Keine Stimm' ist dumpf.
Wer den Ton gefunden,
  Der im Grund gebunden
  Hält den Weltgesang,
  Hört im lauten Ganzen
  Keine Dissonanzen,
  Lauter Uebergang.
O Natur, du große
  Mutter die im Schooße
  Viele Kinder hält!
  Lächelst recht von Herzen,
  Wenn sie fröhlich scherzen,
  Wie dir's wohlgefällt.
Wenn die Kinder streiten,
  Schlichtest du beizeiten,
  Brauchest deine Macht;
  Wenn sie sich verlaufen,
  Sammelst du den Haufen
  Doch zu dir bei Nacht.
Deine Sonne wecket
  Alles was bedecket
  Goldner Schlummerduft.
  Wache Lebenstriebe
  Wiegst du ein in Liebe:
  Wiege, Brautbett, Gruft!
  Deine Arbeitsbienen,
Kunsttrieb gabst du ihnen
  Statt der Liebeslust.
  Aber beide Flammen
  Gossest du zusammen
  In des Menschen Brust.
Wo die beiden ringen
  Werden sie bezwingen
  Leben und den Tod,
  Sich zum Himmel schwingen,
  Und zur Erde bringen
  Ew'ges Morgenroth.
  Geisteswaffenschärfung,
  Stoffes Unterwerfung,
  Welterobrungskunst;
  Hier den Forst zerschmettert,
  Was ihn dort beblättert,
  Stürmische Liebesbrunst.
Auch der Haß ist Liebe,
  Schöpfend mit dem Siebe
  Statt der Schal' im Born.
  Als ich hassen wollte,
  Fühlt' ich nur, es schmollte
  Kind'scher Liebeszorn.
Du verzeihst den Kindern,
  Aber weißt zu hindern
  Ihre Unart auch.
  Der ist wohlerzogen,
  Dessen Hochmuthswogen,
  Legt von dir ein Hauch.
Laß mich auserkornen
  Meinen blindgebornen
  Bruder nicht verschmähn!
  Was der Maulwurf wühlet,
  Hat der Mensch gefühlet
  Oder eingesehn.
Was der Vogel singet,
  Was die Quelle springet,
  Was die Blume blüht,
  Was die Schöpfung rauschet,
  Mutter, nur belauschet
  Hab' ich dein Gemüth.
Laß mich für die Erde
  Sinnen, daß sie werde
  Durch und durch verschönt!
  Laß mich sie verklären,
  Daß im Chor der Sphären
  Sie mit Freude tönt!