Der Alpenjäger.

An der Felsenstirn, der schroffen,
 Klimmt empor des Jägers Muth,
 Durstbegierig, schweißumtroffen,
 Nach des Klippenvolkes Blut;
 Ueber ihm durch Sturz und Steile
 Flieht der Gemsen scheue Eile.
Wie die Blick ihm höhwärts fliegen,
 Und die Tiefen keiner mißt,
 Hat er bald sich hin verstiegen,
 Wo herab kein Rückweg ist;
 Grausend rings an glatten Wänden
 Sieht er Pfad und Hoffnung enden.
Da, wie Schwindel ihn umgrauset,
 Ruft in der Verzweiflung Wahn
 Er den, der im Felsschloß hauset,
 Er den Geist des Berges an;
 Eh' er fühlt, was er begonnen,
 Ist sein Sinn in Angst zerronnen.
Doch den Ruf vernehmend, nahet
 Leise wandelnd, wie ein Wind,
 Sich der Berggeist, und umfahet
 Das verzagte Menschenkind;
 Aus den Höh'n auf leichten Handen
 Trägt er ihn zu ebnen Landen.
Drunten, an der Quellen Borne
 Wacht er staunend auf, und schaut
 Ueber sich die Alpenhorne,
 Daß er kaum dem Auge traut.
 Sei mit deinem Glück zufrieden,
 Dank dem Geist und bleibe nieden!
Doch er hebt die Waff' in Händen,
 Die vor ihm am Boden ruht:
 Sollst du heut nach Haus dich wenden,
 Ungeletzt von Gemsenblut?
 Plötzlich, weh! von Pfeil und Bogen
 Wird er wieder fortgezogen.
Und auf schon erklomm'nen Pfaden
 Klimmt er noch einmal empor,
 Und verlieret dort den Faden,
 Wo er erst ihn auch verlor;
 Wieder vor den Felsenpforten
 Weg- und rathlos steht er dorten.
Doch zum Geiste voll Vertrauen
 Kehrt er sich in seiner Noth;
 Kann er vor dem Helfer grauen,
 Der schon einmal Hülfe bot?
 „Der mich trugst zu sanftem Bette,
 Komm auch itzt, o Geist, und rette!“
Da mit furchtbar lautem Krachen
 Thut sich auf das Felsenthor;
 Und zu dem verwegnen Schwachen
 Tritt der Geist, den er beschwor;
 Er halb hoffend, halb erschreckend,
 Steht, nach ihm die Händ' ausstreckend.
Aber wie der Geist im Grimme
 Seines Mundes Odem hebt,
 Eh der Odem wird zur Stimme,
 Faßt er jenen schon, der bebt,
 Und zum Abgrund zwischen Zacken
 Stürzt sein Hauch des Frevlers Nacken.
Nicht für des Getäubten Ohren,
 Für den offnen Felsenschlund,
 Tönt des Geistes Stimme: Thoren!
 Mit den Geistern ist kein Bund;
 Geister retten, wo sie wollen,
 Stürzen, wo sie retten sollen.