Maria Siegreich.

(Ortslegende.)

Die Ritter ziehn auf allen Wegen
 Mit ihrer Rosse lautem Schwarm
 Dem festlichen Turnier entgegen,
 Und mancher prüft den stolzen Arm,
 Wie er ihn recht mit Macht will schwingen,
 Den Gegner in den Staub zu ringen.
Herr Walter hoch zu Rosse schreitet,
 Das Haupt in Andacht still gesenkt;
 Die Linke, die den Zaum nicht leitet,
 Der Rechten übers Kreuz verschrenkt;
 Das Roß, sich selber überlassen,
 Geht abwärts von betretnen Straßen.
Und durch's verhallende Getümmel
 Des Kämpferzuges dringt zum Ohr
 Des Einsamen ein Ruf vom Himmel,
 Der Ritter lauschend schaut empor;
 Sieh da! sein Roß hält an der Schwelle
 Von Sankt Mariä Waldkapelle.
Und drinnen wandelt durch die Hallen
 Der Messe lauter Friedensgruß;
 Der Krieger läßt ihn sich gefallen,
 Und hebt vom Roß den ehrnen Fuß;
 Er tritt hinein, und beugt die Glieder
 Vor'm heil'gen Altar betend nieder.
Andächtig fleht er zu der hohen
 Besiegerin der Erdenwelt,
 Daß sie ihm schenke leichten, frohen,
 Preiswürd'gen Sieg, wie's ihr gefällt,
 Daß sie die schwache Hand ihm starke,
 Und ihn vertret' im Waffenwerke.
Da steigt ein Säuseln von den Höhen
 Hernieder aus des Beters Haupt;
 Er fühlt es kühlend sich umwehen,
 Bis das Gefühl ihm ist geraubt;
 Er ruht, versenkt im tiefen Traume,
 Am Fuß des Altars wie auf Flaume.
Er träumt, wie aus des Himmels Reichen
 Er selber steig' im Ritterkleid,
 In Waffen strahlend ohne gleichen,
 Und zieh' hinan zum fernen Streit,
 Wo jedes Aug' auf ihn sich wendet,
 Bis es der goldne Schimmer blendet.
Und wie er eintritt in die Schranken,
 Hoch schwebend auf dem weißen Roß,
 Ist's alsob er nur mit Gedanken,
 Nicht fechte mit der Lanze Stoß;
 Denn eh' die Lanze sich geschwungen,
 Hat sie den Feind vom Roß gerungen.
Schon liegen aus der Kampfesstätte
 Vor ihm der edlen Ritter drei,
 Und schmetternd ruft es die Dromete,
 Daß sein der Siegsruhm dreifach sei;
 Da sprengt er fort zu Roß geschwinde,
 Als wollt' er schwinden in die Winde.
Und da der Schläfer so verschwunden
 Sich selber ist aus seinem Traum,
 Springt er, vom Schlummer losgebunden,
 Empor, und sieht, und glaubt es kaum,
 Er sieht schon an des Fensters Gittern
 Des Abends letzte Röthe zittern.
 Schnell wieder betend sinkt er nieder:
 O Herrin, wie du's fügst, ist's gut.
 Gefochten haben meine Brüder,
 Derweil ich hab' in dir geruht.
 Vermessen ist des Menschen Denken,
 Dein Rathschluß weiß es recht zu lenken.
Dann hebt er sich, und steigt zu Rosse,
 Mit freier friedenvoller Brust,
 Schon lenkt er um nach seinem Schlosse,
 Und denkt in anspruchloser Lust:
 Wer mag nun heut des Sieges Gaben
 Im heißen Kampf errungen haben?
 Da nahen sich auf seinen Pfaden
 Zu Fuß der edlen Ritter drei,
 Mit Gaben ihre Hand beladen,
 Und treten an sein Roß herbei,
 Und neigen sich vor ihm die Krieger,
 Und grüßen laut ihn ihren Sieger:
Du hast im männlichen Gefechte
 Heut, edler Ritter, wunderbar
 Besiegt durch deine tapfre Rechte
 Die unsre, die nicht feige war;
 Die Gaben nimm, die wir dir weihen,
 Und laß dir Gott den Sieg gedeihen!
Da thut der Ritter hochbetroffen
 Zu reden seine Lippen auf;
 Verstummend bleibt der Mund ihm offen,
 Und keine Worte folgen drauf;
 Er hört mit innerlichem Staunen
 Unsichtbar es in's Ohr sich raunen:
Weil du auf meine Siegesmächte
 Vertrautest zuversichtiglich,
 Hab' ich bewaffnet meine Rechte,
 Gekämpfet hab' ich selbst für dich;
 Die ich für dich errungen habe,
 Nimm hin mit Dank die Siegesgabe!
Da kehrt den Lippen ihre Rede,
 Sie tönen jubelnd himmelan:
 Des Menschen Geist und Kraft ist blöde;
 Nicht ich, der Himmel hat's gethan.
 Des Himmels Arm hat euch bezwungen,
 Und euern Stolz in Staub gerungen.
Nicht ich darf mich den Sieger heißen,
 Maria heißt die Siegerin.
 Legt Gab' und Waffen mit Lobpreisen
 Vor ihren Friedensaltar hin!
 Lobpreis sei der Gebenedeiten
 Von nun an bis in Ewigkeiten!