Die Menschenknaben sind erpicht

                               7.

Die Menschenknaben sind erpicht auf's Spielen;
  Und dieser mochte wohl am Strande lesen
  Die Muscheln, die ihm in die Augen fielen.

Die mein' ist wohl die glänzendste gewesen;
  Ich schließ'’ es, weil er bald die andern alle
  Weg wieder warf und trieb mit mir sein Wesen.

Es braucht nicht viel, daß Knaben man gefalle;
  Ich rühme mich des Vorzugs nicht von ferne,
  Daß er just mich ersah zu seinem Balle.

Er wußte nichts von meinem innern Kerne;
  Doch bin ich auch schon dafür Dank ihm schuldig,
  Daß er die Schal' an mir nur hatte gerne.

Er spielt' ein Weilchen mit mir ganz unschuldig,
  Dann nach und nach ward er mein überdrüssig,
  Und endlich warf er weg mich ungeduldig.

Nun war ich wieder meines Raths unschlüssig.
  Gelangt zum mind'sten war ich vom Gestade
  An einen Weg und lag am Wege müßig.

Es mochten da wohl sein betretne Pfade;
  Vorübergehen hört' ich an mir Viele,
  Doch ließen sie mich liegen ohne Gnade.

Sie waren sämmtlich schon zu alt zum Spiele,
  Und doch nicht alt genug, um mehr zu wissen,
  Und gingen eben jetzt nach anderm Ziele.

Schon kam die Nacht mit ihren Finsternissen;
  Da kam des Wegs, daher ein altes Mütterlein,
  Das einen Korb zu tragen war beflissen;

Sie hatte für ihr Vieh geholt ein Fütterlein,
  Sie schien recht schwer zu tragen, weil sie keuchte,
  Sie ging gebückt und sah das Perlenmütterlein

Am Wege liegen. Schad' es ihr doch deuchte,
  Wenn es da liegen bliebe. Mühsam bückte
  Sie sich und hob das schon vom Nachtthau feuchte

Abwischend auf. O, dacht' ich, wenn dir's glückte,
  Dich auszuthun, mit Glanz sie zu begrüßen,
  Daß solch Verdienst auch eine Perle schmückte!

Heim trug sie mich, schob von den müden Füßen
  Am Boden hin die schlotterigen Schühlein;
  Ich sank daneben, ihren Staub zu küssen.

Abhuckte sie den Korb auf einem Stühlein,
  Und vorderhand um mich sich nicht mehr kümmernd
  Ging sie und fütterte und melkt' ihr Kühlein.

Wie gern, mein Perlenmutterhaus zertrümmernd,
  Wär' ich heraus gesprungen, ihr zu dienen,
  Ihr ihre kümmerliche Lag' entkümmernd.

Doch meine Stunde war noch nicht erschienen.
  Vielleicht auch hätt' in ihrem eignen Glücke
  Ich sie gestört mit meinem ihr geliehnen.

Sie ging noch hin und her oft und zurücke
  Im Finstern suchte dann im Ecklein tappend
  Das Feuerzeug und nahm die einzlen Stücke;

Nun schlug sie, Stahl und Stein zusammen klappend,
  In grader Richtung nieder nach dem Zunder,
  Der, brennbar, gierig nach den Funken schnappend,

Ein Licht bald gab. Sie schob den kleinen Plunder
  In's Ecklein wieder, setzte sich beim Stümplein
  Licht hin und aß ihr Abendbrot jetzunder.

Auf's Tischlein war gedeckt ein reinlich Lümplein,
  Sie schnitt und aß ihr Ränstlein Brot, ihr schmales,
  Und sammelte die Krümlein auf ein Klümplein,

Indem sie trank vom Brunn des Wiesenthales.
  Die Krümlein aber waren für ein Huhn.
  Das sich vom Abfall nährte ihres Mahles.

Sie räumte ab und konnte noch nicht ruh'n,
  Nahm ihr Gestrick, um aus dem Ofenbrettlein
  Vor'm Schlaf noch ein Paar Maschen abzuthun.

Dann las sie im Gebetbuch noch ein Blättlein.
  Mit ihrer Brill und sprach den Abendsegen,
  Nun löschte sie das Licht und lag im Bettlein.

Ich bin die Nacht durch vor der Thür gelegen.
  Am frühen Morgen war die alte Mutter
  Schon auf und wieder auf den alten Wegen.

Sie holte wieder für ihr Kühlein Futter;
  Sie mochte Milch wohl in die Stadt verkaufen;
  Das war ihr wicht'ger, als die Perlenmutter.

Als sie fort war, da kam ein Jud gelaufen.
  Sie pflegte nie an Juden was zu geben;
  Doch läuft ein Jud oft, auch wo nichts zu kaufen.

Er sah sich an der Thür um und daneben;
  Ein Handelsgegenstand wenn gleich ein schwacher,
  Mocht' ich ihm scheinen und er nahm mich eben.

Somit war ich gekommen in den Schacher.