9.
Ich muß nur auch, um nicht zu kurz zu kommen,
Wie du, zurückgehn bis zum Weltursprunge,
Wiewohl ich wirklich etwas bin beklommen,
Wie dir in deinem hohen Wellenschwunge
Ich's nachthun soll aus meiner dunklen Tiefe.
So sprach der Edelstein mit spitzer Zunge.
Das Meer, wie es von tausend Perlen triefe,
Das Meer kann sich nicht messen mit der Erde,
Ob auch den Himmel es zum Richter riefe.
Die Gluth zu löschen auf dem Feuerherde
Im Erdenhaus, hat stürmend sich verbündet
Der grimmen Wogengeister nasse Heerde;
Doch sturmfest ist das Erdenhaus gegründet,
Und durch Gebirgesschlöte feuerspeiende,
Ist seiner Feueressen Kraft verkündet.
Das Meer, das Ungestüm zum Himmel schreiende,
Kann nicht mit wildem Aufruhr übertäuben
Die Gluth der Erde, die sich selb befreiende.
Wie sich das Kalte mag dawider sträuben,
Es muß dem Warmen die Gestaltung lassen
Und formlos selbst in Gischt und Schaum zerstäuben.
Einst mochte wohl das Meer die Erd' Umfassen,
Damalen lag des Lebens heil'ge Flamme,
Ein Embryo, umwickelt von dem Rassen.
Nun ist das Kind entnommen seiner Amme;
Und wie sich mag des Meeres Wuth erbittern,
Ohnmächtig bricht sie sich am festen Damme.
Die äußern Ränder mögen wohl verwittern,
Doch steht das Steingebäu mit festem Kerne,
Und sicher sind die Pfosten vor'm Zersplittern.
Einst kommt die Zeit, doch ist sie wohl noch ferne,
Wo in sich wird die ganze Erde leuchten,
Zum Edelstein geworden oder Sterne;
Denn Stern und Edelstein will eins mir deuchten
Dann wird das Meer ein Perlentropfe werden,
Den Edelstein hinschmelzend zu umfeuchten.
Indessen aber steht im Schooß der Erden
Die Wurzel fest des grünen Lebensbaumes,
In dessen Schatten weiden alle Heerden.
Es freuen sich des angemessnen Raumes
Die Edlern, daran Gott sich groß erwiesen;
Das Meer trägt nur Gebilde wüsten Schaumes.
Die Ungeheuer sind in's Meer verwiesen,
Doch auf der Erde wandeln die Gestalten,
Die Gott erschuf in seinen Paradiesen,
Die Gott in seiner Arch' hat aufbehalten,
Und die er auch will aufbehalten künftig
Vor'm Untergang im Nassen und im Kalten.
Die Thiergeschlechter sind auf Erden zünftig,
Geordnet jegliches nach seinem Samen,
Weil Gott dazu den Menschen schuf vernünftig.
Drum sind die Meereskinder ohne Namen,
Weil, da der Mensch saß, Namen auszutheilen,
Sie aus der Fluth zu ihm hervor nicht kamen.
Und namlos bleiben mögen sie einstweilen,
Bis drunten doch in den krystallnen Grotten
Der Mensch sie mit der Sprache wird ereilen.
Da sollten sie doch nicht des Menschen spotten,
Sie sollten das vielmehr im Ernst betrauern,
Daß sie zu sehn nur kriegen seine Flatten,
Nicht seines Aufenthaltes feste Mauern;
Denn das ist unser allergrößter Schatz:
Die Menschen sind bestimmt zu Erdbebauern.
Für dieses welch ein ärmlicher Ersatz
Sind jene Wassermenschen euch, unholde
Bewohner ohne Sitt' und stäten Platz!
Doch, gleich dem Meervolk giebt es kleine Bolde
Im Erdschacht auch, nur mit dem Unterschiede:
Sie spielen, statt mit Meereskies, mit Golde.
Von diesen hat, was Krieg bedarf und Friede,
Der Mensch gelernt und lernt noch manches heute;
Denn sie sind ausgemacht die ersten Schmiede.
Sie sind auch die gebotnen Bergwerkleute,
Die still das Erz erst fördern in die Schachte,
Eh draus zu Tag gefördert wird die Beute.
Wenn sich der Mensch das Erz recht nutzbar machte
Zu Acker und Gewerb, hätt' er nicht nöthig,
Daß er auf einer Muschel Schiffahrt achte.
Das zu beweisen, bin ich dir erbötig.