Des Königs Vorbild.

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Ein König, als er sich bereitete zum Sterben,
  Schrieb dieses Vorbild auf zum Nachlaß seinem Erben:
In tiefem Schlafe lag ein Mann auf einem Schiffe,
  Das unter ihm zerbrach an einem Felsenriffe.
Ihn aber kümmerten nicht die zerschellten Scheiter;
  Das Bret, auf dem er lag, trug ihn sanftschlafend weiter.
Es trug ihn sicher durch der Brandung Wellenschlag
  Zu einem Ufer, wo er weich auf Blumen lag.
Da weckten aus dem Schlaf ihn helle Jubelklänge,
  Erwachend sah er rings um sich ein Volksgedränge,
Die ihn begrüßten: Heil! du bist nun unser König;
  Und alles, was du siehst, ist deinen Wünschen fröhnig.
Sie führten ihn mit Pomp in ihre Stadt hinein,
  Er saß auf hohem Thron, und trank den Krönungwein.
Berauscht von diesem Wein nnd Beifallslustgeschrei,
  Besann er selbst sich nicht wie ihm geworden sei.
Die Diener drängten sich wetteifernd und die Räthe,
  Daß jeder nur den Wink des neuen Königs thäte.
Und was er winkte, daß geschehe, das geschah;
  Er freute sich, wie schnell er sich bedienet sah.
Von all' den Räthen hielt sich nur ein alter Rath
  Am Tage fern, der Nachts alsdann zum König trat:
Du hast, o Fürst, mit Glück das Reich nun eingenommen,
  Zu dem du vom Geschick gesendet hergekommen.
Den Anfang sahest du, doch sieh nun auch das Ende,
  Die Schattenseite, daß der Lichtglanz dich nicht blende.
Gewahre, was vor dir so viele nicht gewahrt!
 Du bist nun König hier im Land der Gegenwart.
Beraumt ist eine Frist, dir aber unbekannt,
  Wenn sie verlaufen ist, wirst du von hier verbannt.
Um's Festland liegen rings verstreut die Zukunftsinseln,
  Auf welchen die vor dir verbannten Kön'ge winseln.
Denn wenn die Zeit ist, daß ein neuer König kommt,
  Führt man den alten ab, dem keine Macht dann frommt.
Die dienend seinen Thron umstanden, all' die treuen,
  Die fallen von ihm ab, und dienen dann dem neuen.
Und alle Herrlichkeit und Lust, die ihn umgab,
  Wird ihm Erinnerungsqual in einem Inselgrab.
Denn wüst', unangebaut und öd' ist jener Strand,
  Der Thränenquell versiegt im unfruchtbaren Sand.
Ich hab' es dir gesagt, nun mögest du's bedenken,
  Und hier in deiner Frist danach die Schritte lenken,
Daß du nicht führest einst auf deiner Zukunstsinsel
  Um's Reich der Gegenwart vergebliches Gewinsel.
Mein Fürst, ich sehe, daß mein Ausschluß nur dich kränkt,
  Dein lustbekröntes Haupt sich schwer von Kummer senkt.
Kein eitler Kummer frommt; sanft wird die Frist verfließen,
  Und du wirst nicht einmal auch hier dein Reich genießen.
Ich aber mahne dich zu männlichem Entschluß,
  Von hier hinüber dir zu sichern den Genuß.
Solang du unumschränkt hier herrschest allgewaltig,
  Stehn zu Gebote dir Hülfsmittel mannichfaltig.
So wende denn, was jetzt dir stehet zu Gebot,
  Zum Schmuck der Insel an, wo dir Verbannung droht.
Versieh mit allem sie, was dort zur Lust ist Noth,
  Daß einst der Aufenthalt dich locke, der dir droht.
Laß deine Diener dort dir Königsschlösser bauen,
  Den unfruchtbaren Sand wandeln in Gartenauen.
Hast da zu Lauben dir gepflanzt den Duft der Rose,
  So fliegt die Nachtigall von selbst nach mit Gekose.
Und wenn dich hier verstieß die Welt, dich nackt verließ,
  Beziehst du froh dein selbstgeschaffnes Paradies.
Dort wird Erinnrung dich nicht um's Verlorne kränken;
  hier wird's dein Glück erhöhn, an jenes vorzudenken.
Da hob mit Muth der Fürst das Haupt, das er gesenkt;
  Den Rath des alten Raths befolgt' er ungekränkt,
Verwaltete sein Reich mit Lust und frischer Kraft,
  Und schmückte sich indeß die Insel zauberhaft.
Und als er lang genug sein Reich nun so genossen,
  Kam von der Insel her ein süßer Duft geflossen.
Da merkt' er, daß schon dort in voller Blüthe stand,
  Was er gepflanzt, und selbst sehnt' er sich fort vom Land.
Es war ihm gar nicht leid, es war ihm selber lieb,
  Als man ihn eines Tags von Thron und Krone trieb.
Als man ihm Alles nahm, und ihn, blos wie er kam,
  Ließ ziehn, da zog er ein in's Eiland ohne Gram.
Und so nun auch, mein Sohn, scheid' ich von Kron' und Thron
  Mit Freuden, denn voraus sandt' ich mein Bestes schon.
Ich fühle mir von dort zum Gruß entgegenwallen
  Der Rosenlauben Duft, den Chor der Nachtigallen.
Ich weiß, ich werde dort, von diesem Reich geschieden,
  Zufrieden sein, und dir wünsch' ich den gleichen Frieden.