Erste Stufe. Einkehr: 60., 61., 62.

Ein halb Jahrhundert lang freut' ich mich Jahr um Jahr,
  Und wardst du nun so alt in diesem einz'gen gar?
Nein! sondern weil ein Bild des Frühlings in mir fleht,
  Vor welchem das zu nichts, das draußen fleht, vergeht.

                            61.

Oft geh' ich durch die Flur, mein Auge still zu weiden,
  Alswie ein Hirt sein Lamm auf überblümten Heiden.
Dann frag' ich mich, was ich die Blumen sonst gefragt,
  Und sage mir, was sonst die Blumen mir gesagt.
Von der ich einen Gruß empfangen hab' im Winde,
  Ihr Blumen saget mir, wo ich die Liebe finde.
Geh' suche nur, sie ist wie Kindes Festbescherung
  Von Mutter auf der Flur versteckt in Blumenwehrung.
Neugierig schaut ich da in alle Blumemwiegen,
  Und glaubte sie wie Thau in jedem Kelche liegen.
Und da, wo ich sie fand, da stellten sich im Kreise
  Die Blumenchöre auf, mit mir zu beten leise.
Die Blumen frag' ich nun: wo ist sie hingekommen?
  Und leise sagen sie: den Strom hinabgeschwommen.
So schwimme nur den Strom auch du, o Thrän', hinab,
  Und wo du treibst an's Land, dort ist der Liebe Grab.
Dort melde mich der Lieb' und sage: Bald wird kommen
  Die müde Sehnsucht auch, und sei hier aufgenommen.
Und wo die Sehnsucht ruht, da stellet euch im Kreise,
  Ihr Blumenchöre, auf, und betet ob ihr leise.

                            62.

Die Leier immer hängt gestimmt in meiner Klause,
  Und wartet, welch' ein Sturm durch ihre Saiten brause.
Bald ist's des Himmels Sturm, der die Akkorde greift,
  Und bald des Dichters Geist, der sie im Fluge streift.
Wenn du o Sturm der Nacht, aufspielest, hör' ich zu:
  Und bist du müd', und ich will spielen, höre du!
Geheimnisse der Nacht hast du mir vorgesungen,
  Nun hör ein Lied aus Menschenbusensdämmerungen.