Erste Stufe. Einkehr: 100., 101., 102., 103.

Wo ihm das Siegel fehlt, gilt er sich selber nicht;
  Und wo der Spiegel fehlt, gewahrt sich nicht das Licht.
Doch wenn es Spiegel ist, so ist es nur zum Gleichen,
  Und wenn es Siegel ist, so ist es nur zum Zeichen.
Nie dem Gespiegelten entspricht der Spiegelglanz,
  Nie dem Versiegelten das äußre Siegel ganz.
Wer in die Formeln will des Worts die Geister bannen,
  Die Formeln bleiben ihm, die Geister gehn vondannen.
Du aber suche fein die Geister zu belauschen,
  Wie, wandelnd unsichtbar, sie Wortgewande tauschen.

                           101.

So thöricht ist der Mensch nur auf sein Weh beflissen,
  Daß er von seinem Wohl viel minder scheint zu wissen.
Selbst seine Sprache zeigt entgegen einem Namen
  Für's Liebe meistens drei, die auf das Leide kamen.
Nur eines nennt er gut, o wär' es gut nur immer,
  Drei übel, bös' und schlimm; oft ist noch gutes schlimmer.
Nur eines nennt er süß, o möcht' es rein ihm munden,
  Drei bitter, saur und herb, dem füßen oft verbunden.
Nur eines nennt er schön; es schien ihm unerläßlich
  Dem beizugeben auch drei: garstig, wüst' und häßlich.

                           102.

Zwei Arten giebt es, wie man Sprachen lernen kann;
  Gleichgültig ist der Weg, wenn man das Ziel gewann.
Der eine schwere Weg führt durch Zergliedrung gründlich,
  Der andre leichtere durch Uebung schrift- und mündlich.
Und also lernet auch die Sprache der Natur
  Natürlich einer und ein andrer künstlich nur.
Beglücktes Mutterkind, von Qual der Schul' entfernt,
  Das mit der Muttermilch die Muttersprache lernt!

                           103.
Wie kann im Gegensatz der Werke der Natur
  Des Menschen schwache Kunst ihr Werk aufstellen nur!