1.
Alswie der Mensch, so ist sein Gott, so ist sein Glaube,
Aus geist'gem Aether bald, und bald aus Erdenstaube.
Doch doppelt ist der Gott, der Glaube doppelt auch,
Hier selbstentglommner Trieb, dort überkommner Brauch.
Das Eigenste wird ganz nie frei vom Angenommnen,
Doch übt die Eigenheit ihr Recht am Ueberkommnen.
Man reißt das Haus nicht ein, das Väter uns gebaut,
Doch richtet man sich's ein, wie man's am liebsten schaut.
Und räumt man nicht hinweg ehrwürd'ge Ahnenbilder,
Durch Deutung macht man sie und durch Umgebung milder.
Des Glaubens Bilder sind unendlich umzudeuten,
Das macht so brauchbar sie bei so verschiednen Leuten.
2.
Wie Blasen in dem Strom austauchen und vergehn,
So sah die Phantasie Götter aus Gott entstehn.
Die Kunst, das wirre Spiel der Phantasie zu mildern,
Bezaubernd bannte sie den Geist in Marmorbildern.
Des Sinnbilda Mißgestalt will nicht sein, nur bedeuten;
Der Wohlgestalt gebührt's, Anbetumg zu erbeuten.
Doch soll der Allgeist nicht im engen Haus verkümmern,
Muß mit dem falschen Schein die Schönheit selbst zertrümmern
Wenn der versöhnte Geist frei mit unschuld'gem Spiel
Begöttert die Natur, dann ist die Kunst am Ziel.