X. Daselbst nun stellten sie den Sohn

                              X.

Daselbst nun stellten sie den Sohn im Tempel dar,
Und opferten für ihn ein Turteltaubenpaar.

Im Tempel aber war mit Namen Simeon
Ein Mann, der harrete des Heilands lange schon.

Auf diesem war der Geist' der heil'ge, der ihm hatte
Geweissagt, hüllen werd' ihn nicht des Todes Schatte,

Eh am Gesalbeten des Herrn sein Aug' ersatte.

Zum Tempel kam er nun, vom selben Geist getrieben,
Als eben mit dem Kind darin die Eltern blieben.

Da hub er auf das Kind in feinen beiden Armen
Und rief: Nun wolltest du dich deines Knechts erbarmen,

O Herr, und lässest ihn in Frieden gehn zu Grabe,
Da ich mit Augen noch dein Heil gesehen habe,

Das du im Angesicht der Völker zubereitet,
Das Licht, das in die Welt soll werden ausgebreitet,

Und Israel, dein Volt, zur Herrlichkeit geleitet.

Die Eltern stauneten der hohen Rede nach,
Er aber segnete die Mutter auch und sprach:

Sieh, dieser stehet da zum Steigen und zum Falle
Vieler in Israel, ein Fels und Stein für alle,

Ein Zeichen in dem Kampf, um welches wird gestritten,
(Dir aber wird ein Schwert gehn durch der Seele Mitten)

Denn, was verborgen war, macht dieses Zeichen klar,
Und viel Gesinnungen der Herzen offenbar.

Da war im Tempel auch Hanna zur selben Stunde,
Die Tochter Fanuels, voll von prophet'scher Kunde,

Die sieben Jahr gelebt im Jugendehebunde,

Nun alt und hochbetagt, geprüft und vielerfahren,
Im Stand der Wittwenschaft seit vierundachzig Jahren.

Die hatte sich, nachdem den Gatten sie verloren,
Zum ew'gen Aufenthalt den Tempel auserkoren,

Von dem sie nimmer wich, und hatte Tag und Nacht
Mit Fasten und Gebet in Gottes Dienst verbracht.

Die trat nun auch hinzu, und als das Kind sie sah,
Lobpries sie Gott und sprach: Das Himmelreich ist nah.

Die Lösung Israels, auf die es hofft, ist da.

Nicht länger ist das Heil den jungen noch den alten,
Den Männern noch den Fraun, die's suchen, vorenthalten.

Die Eltern, als sie nun ihr Opfer dort gespendet
Nach dem Gesez des Herrn, und alles wohl vollendet,

Da führten sie das Kind mit Dank und mit Gebet
Nach Galiläa heim zum Städtlein Nazareth.

Das Kindlein wuchs und ward an Geist und Gliedern grade.
Die Weisheit war in ihm' und auf ihm Gottes Gnade.