58.
Süßer ist, als Thun, viel süßer, Leiden;
Darum, Liebste, muß ich dich beneiden:
Weil das Lamm du bist und ich der Hirte,
Du darfst folgen und ich dich muß weiden;
Weil du bist die Au' und ich dein Frühling,
Ich dich schmücks und du dich lässest kleiden;
Rose du, und ich der Dorn, dein Hüte,
Der dir abwehrt was dir frommt zu meiden;
Rebe du, die Freudenthränen weinet,
Wenn ihr Winzer, ich, sie muß beschneiden.
Wenn du Trauben mir versprichst zu tragen,
Soll mir nichts die Winzermüh verleiden.
O du Bild, das meine Liebe malet,
Sollte je von dir mein Fleiß sich scheiden!
Du bist Marmor und ich bin der Meißel,
Dich zu bilden, muß ich mich bescheiden!
Du mein edler Stein, ich bin dein Künstler,
Der in's Herz dir sein Gepräg will schneiden.
Prägen will ich dich nach meinem Herzen,
Bis du nicht von mir zu unterscheiden
Alle deine Eigenschaften will ich
Bilder! aus zu köstlichen Geschmeiden.
Alle deiner Seele Fäden will ich
Weben aus in ein Geweb von Seiden.
Wie du in Geschmeid und Seide prangest,
Will ich dann den Blick an dir auch weiden.
Sieh! mein Glück ist, deines zu gestalten;
Solltest du nicht gern dein Glück erleiden?