Rabe und Taube.

Liebchen, sieh dies Rabenei,
  Wie es grün ist und so schön geflecketl
  Sag' mir, wie es möglich sei,
  Daß darin der schwarze Satan stecket.
  Doch es fällt mir eben bei,
  Und ich will, dich zu erbauen,
  Dir's vertrauen,
  Wie den Grund davon ich selbst hab' in der Schrift entdeckt.
Als der Rabe Noä flog,
  Umzuschauen ob das Wasser falle,
  Weißt du wohl wie er betrog,
  Denn nicht kehren moch't er heim zum Stalle.
  Weil der erste Bot' ihm log,
  Sandte Noa draus die Taube,
  Und mit Laube
  Grün im Schnabel kam sie wieder, daß sich freuten alle.
Damals war der Ungückssohn
  Rabe grün noch, wie sein Ei man schauet;
  Wär' er schwarz gewesen schon,
  Nie hätt' ihm der Patriarch getrauet.
  Aber schwarz ward er davon,
  Dieses sind des Undanks Strafen,
  Die ihn trafen,
  Und er krächst daran gedenkend, wo fein Nest er bauet.
Immer hofft er, daß sein Kind
  Werde grün, solang' er nackt es siehet;
  Aber es wird schwarz geschwind
  Nach des Vaters Muster, der es ziehet.
  Zwar die ersten Fläumchen sind
  Grünlich, doch wann aus sie fielen,
  Fängt zu kielen
  An das Schwarz, mit Schrecken sieht der Vater es und fliehet.
Ob das Herz der Mutter sich
  Minder läßt des Kindleins Farb' erschüttern?
  Oder ob sie auch entwich?
  Denn von Rabenvätern, Rabenmüttern,
  Redet man gemeinschaftlich,
  Und mir sagt der alte Schäfer,
  Schwarze Käfer
  Send', ich weiß nicht wer, in’s Nest, die Jungen auszufüttern.
Nicht der Böse wird es sein,
  Wie der Schäfer halb und halb erkläret,
  Sondern der, von dem allein
  Ist gesagt, daß er die Raben nähret.
  Aber soviel räum' ich ein;
  Weil er in der Fluth als diesen
  Sich bewiesen,
  Wird ein Unglücksbot' er bleiben, weil die Schöpfung währet.
Aber seit derselben Zeit
  Glücks- und Friedensbotin blieb die Taube,
  Grüßt die ganze Christenheit
  Heut noch mit des Oelbergs grünem Laube.
  Siehst du auf der Kanzel breit
  Sie nicht über'm Pfarrer schweben?
  Sie ist's eben,
  Die ihm, was er pred'gen soll, in's Ohr sagt, wie ich glaube.
Und es zog der Mensch mit Fleiß
  In sein Dach herbei die fromme Taube,
  Die sich da zu finden weiß,
  Ob es decke Siegel, Schindel, Schaude.
  Jedes Ei von ihr ist weiß,
  Doch sie selber, die in vielen
  Farben spielen,
  Tragen zierlich bunte Kragen, Ringel, Schild und Haube.
Wo ein Brieflein sie empfing,
  Sagt man, daß die Taube Botschaft trage,
  Und ich selbst wohl mancher hing
  Zettel an in meinem Taubenschlage
  Wenn darein die fremde ging;
  Aber durch sie Briefe schreiben,
  Laß ich bleiben,
  Liebchen, weil ich mündlich lieber, was ich weiß, dir sage.