32.
Goldengrüne Flamme,
Birk', auf weißem Stamme,
Du so lieb und huldig,
O wie bist du schuldig
Solcher großen Plagen,
Die wir Kinder tragen;
Säus'le schön, so tragen wir geduldig.
Unser Herr Schulmeister,
Um die bösen Geister,
Die ihn Winters plagen,
Aus dem Leib zu jagen,
Geht im Lenzthaublinken
Deinen Saft zu trinken;
Magst du dünnes Blut ihm nicht versagen!
Wenn er dich gezapfet,
Und nach Hause stapfet;
Wie will er's dir danken,
Daß dem Leberkranken
Du hast Heil gespendet!
Doch sein Jubel endet,
Wie er hört die Frau Schulmeistrin zanken.
In der nächsten Schule
Herrscht er hoch vom Stuhle:
»Höret meine Lehren!
Geht und hol't in Ehren
Frische Birkenreiser,
Denn es soll ein Kaiser
Oder Küster Scepters nicht entbehren.«
Wie wir, scheu uns duckend,
Schon den Buckel juckend,
Gehn, ruft nach von drinne,
Frau Schulmeistetinne:
»Mir auch müßt ihr lesen
Einen frischen Besen,
Daß mir nicht mein Antheil Macht entrinne.«
»Wenn an eurem Blute
Des Monarchen Ruthe
Sich zu streng erprobet,
Und der Aufruhr tobet,
Will ich drein mich legen
Und die Stub' ausfegen,
Daß ihr mich als Friedenstift'rin lobet.«
Dich nun, liebe Birke,
Bitten wir: bewirke,
Daß wir werden weiser!
Deine neuen Reiser
Mögest du behalten,
Mache, daß die alten,
Fein geschonet uns berühren leiser.
Diese, die wir schneiden
Um sie selbst zu leiden,
Sind von den gelinden;
Doch den Besen binden
Wir mit derbem Stiele,
Daß zu seinem Ziele
Er ausdauern mög' in Sturm und Winden.
Dann wird er bewähret,
Wenn auf ihm sie fähret
Aus dem Schlot mit Brause
Zum Walpurgisschmause,
Und vom reichen Feste
Dem Gesind' die Reste,
Würst' und Schinken, bringet mit nach Hause.
»Sagt, woher ihr's brachtet,
Da ihr nicht geschlachtet?
»»Die Schulkinder brachten
Mir es zu Weihnachten.««
Sollten wir's verrathen,
Daß wir das nicht thaten,
Da wir doch dazu den Besen machten?
Unser Herr Schulmeister,
Würst und Schinken speis't er,
Doch mit sauern Mienen;
Riecht er wohl an ihnen,
Wo sie hergekommen?
»Und nicht mitgenommen
Hast du mich zum Fest, wo du erschienen?
»»Sei mit dem zufrieden,
Was dir ist beschieden;
Iß und werde feister!
Aber laß, o dreister,
Dir's vergehm zu fahren
Mit den Hexenschaaren,
Da du weißt, du bist kein Hexenmeister.««