Der Paradiesbach

Ein Bach an meinem Garten fließt,
  Der wogen macht die Mühle,
  Und murmelnd mir das Ohr verschließt
  Vor'm fernen Dorfgewühle,
  Und fließt der Bach nur immer voll,
  Nicht weiß ich, was ich wünschen soll.
Doch kommen mich zu peinigen
  Die schlimmsten von den Tagen,
  Die Tage, wo zu reinigen
  Der Bach wird abgeschlagen.
  Der Bach, er war mir rein genung,
  Und soll bedürfen Reinigung!
Was nennen sie denn reinigen?
  Begrabnen Schmutz erwecken,
  Um zu beaugenscheinigen,
  Was klug die Waffer decken,
  Zu häufen auf am Uferdamm,
  Was gut im Grunde lag, den Schlamm.
Auf einem schlamm'gen Grunde steht
  Die reinste Fluth der Erde,
  Und wer sie geh'n läßt wie sie geht,
  Erspart sich selbst Beschwerde;
  Doch das ist nicht des Weltlaufs Art,
  Daß er Beschwerden uns erspart.
Nun stockt der Schwung der Seele, wie
  Der Mühle Flügel stocken,
  Und traurig liegt die Phantasie
  Mit meinem Gärtchen trocken;
  An Wurzeln lechzt der Erlenstamm,
  Und nicht zur Tränke geht das Lamm.
Dagegen kommt ein Kinderheer
  Im zähen Koth zu waten,
  Wie Israel durch's rothe Meer,
  Als ab die Wasser traten,
  Und suchen ob ein Fischchen noch
  In einem Pfützchen sich verkroch.
Und schleppen, statt in Netz und Garn,
  In Schürzchen und in Käppchen,
  Die armen eingefangnen Rarr'n,
  Elritzchen und Kaulquäppchen,
  Und lärmen mir die Ohren voll,
  Und machen meine Weisheit toll.
Ich wollte, daß euch Kapp' und Schutz
  Nur Schlang' und Kröte trüge,
  Und unversehn's der Wassersturz
  Ob euch zusammenschlüge
  Doch halt, und werde nicht so warm!
  Auch deine Kinder find im Schwarm.
Schlimm geht es mir, doch kann ich mich
  Noch mit den Fischen trösten;
  Man wird doch nicht so jämmerlich
  Nich sieden nun und rösten.
  Schon morgen kehrt zurück die Fluth,
  Und reißt mich aus der Todesgluth.
Und wieder saus't der Mühle Schwung,
  Und wieder wogt die Seele,
  Und in der grünen Dämmerung
  Lockt meine Philomele;
  Und wieder erst in einem Jahr
  Droht meinem Paradies Gefahr.
Das Paradies im Himmel muß
  Doch einen Vorzug haben
  Vor dem aus Erden, daß zum Schluß
  Man gern sich läßt begraben.
  Wie dieses hab' es einen Bach,
  Doch ohne solches Ungemach.
Des Paradieses Wasser fließt
  Wohl ohne Schmutz der Erde:
  Nicht fürcht' ich, wenn es mich umschließt,
  Daß es gereinigt werde.
  Denn, wem das Reine nicht ist rein,
  Geht dort nicht mit den Reinen ein.