Das Kind der Traube.

Seht das Himmelskind!
  Unter dem grünen Laube
  Hat es gewiegt der Wind
  In der Wiege der Traube.
Von des Winzers Erz
  Hat es den Tod erlitten,
  Sein Blut versprüht mit Scherz
  Unter des Kelterers Tritten.
Seht das Himmelskind!
  Sein Blut für uns ist geflossen,
  Und alle Herzen sind
  Geheilt, die es genossen.
Als die Menschen nur Korn
  Bauten und keine Reben,
  War für Thaten kein Sporn,
  Kein Himmelschwung im Leben.
Die Rose war ungenützt
  Stumm war die Nachtigall;
  Als Most sie angesprützt,
  Da blühten, sangen sie all'.
Als in des Menschen Stirn
  Gestiegen des Weines Dünste,
  Hat er im gährenden Hirn
  Ersonnen alle Künste.
Um die Tonne sich drehten
  Berauschte Zecher im Tanz,
  Wie des Himmels Planeten
  Um ihrer Sonne Glanz.
An umgestürzter Tonnen
  Hat, als vom Tanz er ruhte,
  Der erste Maler begonnen
  Zu malen mit Rebenblute.
Ein Dichter stand entfernt;
  Hin nach den Keltertretern
  Lauschend, hat er gelernt
  Des Liedes Takt und Metern.
Da sang er: die Rosen vergehn,
  Und alle Gaben des Lenzen.
  Der Most nur kann bestehn,
  Sie alle zu ergänzen.
Er macht das Herz, die Schenke,
  Zu einem Frühlingsgarten,
  Wo an des Thaues Tränke
  Blühn Liebesblumen, die zarten.
Er ist schon jung ein Held,
  Der Helden hat bezwungen,
  Bleibt ewig jung wie die Welt,
  Die durch ihn muß erjungen.
Es spricht der feurige Greis
  Begeistert mit seinen Vertrauten,
  Was rings im Erdenkreis
  Die hellen Augen ihm schauten.
Er spricht von alten Zeiten,
  Da er ein Jüngling war,
  Und aus Vergangenheiten
  Ist ihm die Zukunft klar.
Er lichtet des Erdgewimmels
  Verworrenes Irrgeschick;
  Geheimnisse des Himmels
  Strahlen aus seinem Blick.
Zum Quell, nach dem wir dürsten,
  Ist er der Wegeweiser.
  Er ist der Fürst der Fürsten,
  Er ist der Kaiser der Kaiser.
So lang vom Himmel nieder
  Zur Erde steigt das Licht,
  Mit Liebeskraft die Glieder
  Der starren Braut umflicht,
Mit göttlicher Bemeistrung
  Den spröden Leib verzehrt,
  Und Quellen der Begeistrung
  In dessen Schooße nährt:
So lange wollen wir trinken,
  Und neu die Welt uns schaffen.
  Wer sinken will, soll sinken,
  Wer kann, soll auf sich raffen.