Hier wohn’ ich an des Ohrs gewölbter Pforte

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Hier wohn' ich an des Ohrs gewölbter Pforte
  (So klang es schmelzend zu mir her von oben)
  Und höre da hineingehn alle Worte,
Womit man sich beeeifert die zu loben,
  In deren Dienst ich mich allhier befinde,
  Um an ihr alle Künste zu erproben,
Wie man durch's Ohr den Weg zum Herzen finde.
  Doch sie, was ein zum einen Ohr ging, wieder
  Läßt sie hinaus zum andern gehn geschwinde.
Ich aber habe nun die alten Lieder
  Der Schmeichelei genugsam hören müssen,
  Wie man sie ganz vergöttert auf und nieder.
Man nennt sie himmlisch schön von Haupt zu Füßen.
  Mich wundern daß ich noch nicht trunken worden
  Von all' dem unterwegs verlornen Süßen,
Wie eine Blum' an Nektarflusses Borden.
  Doch so viel muß ich freilich selber sagen,
  Gehör' ich gleich nicht in der Schmeichler Orden:
Mein hartes Schickfal hab' ich zu beklagen,
  Das aus dem ganzen Liebesparadiese
  Mich hier zum fernsten Winkel hat verschlagen.
O wie ich selig mich auf ewig priese,
  Wenn einmal nur, was so mit Uebertreibung
  Von fern man lobt, mir in der Näh sich wiese!
Mich reizte so die art'ge Erdbeschreibung
  Daß ich, gelockt von fernen Himmelsstrichen,
  Ward überdrüssig der Zuhausebleibung.
Still hatt' ich einst vom Ohr mich fortgeschlichen;
  Und wenn ich ständ' in beßrer Gunst beim Glücke,
  So wär' ich da und dort umhergestrichen.
Doch unterwegs ergriff mich seine Tücke
  Und machte, daß ich hinfiel ihr zu Fuße;
  Da sehnt' ich mich nach meinem Ohr zurücke.
Sie aber ließ, zur wohlverdienten Buße
  Der Wanderlust, ein Weilchen dort mich liegen,
  Und holte mich dann endlich heim mit Muße.
Nun will ich mich denn hier in Ruhe wiegen
  Und ohne weiter auszugehn auf's Schauen,
  Froh sein, was ich hier mag zu hören kriegen.
Doch muß ich das auch sagen im Vertrauen,
  Daß ich zuweilen besser mich erquicke,
  Wenn sie vorm Spiegel steht wie andre Frauen.
O wie dann immer segn' ich mein Geachicke,
  Das mich hieher gebracht hat aus den Wogen,
  Wo ich die Welt der Schönheit überblicke!
Doch leider ist so schnell das Glück entflogen;
  Denn kaum daß sie zum Spiegel hin sich bückte,
  Hat sie sich auch schon wieder weggebogen.
O wenn sie wüßte, wie sie mich entzückte,
  Wie gern mit ihrem Bild ich Blicke tauschte;
  Ich glaube, daß sie langsamer sich schmückte.
Nein, wenn sie wüßte, wie ich mich berauschte,
  Wie, wo sie sich allein glaubt ohne Zeugen,
  Der Schalk von ihrem eignen Ohr her lauschte;
Ich glaube, daß, den Hochmuth mir zu beugen,
  Sie mit der Hand mir geben würd' ein Kläppchen,
  Daß es mir ein Geschwülstchen würd' erzeugen.
Ja steigen zu des Ohres zartem Läppchen.
  Würd' ihr vor Scham das Blut, daß ich es spüren
  Und röther würde werden als ein Häppchen.
Das will ich mir denn zu Gemüthe führen
  Und, um zu schonen meinen Glanz, den feuchten,
  Mit keinem unvorsicht'gen Blick mich rühren.
Das aber will von dir mir seltsam beachten,
  Herr Edelstein mit Strahlen breit dich machend,
  Wie du so kecklich wagst darein zu leuchten
Dein Loos ist freilich gegen meines lachend.
  O wenn du wünschest, daß du mich verbindest,
  Erzähle, weil wir zwei allein sind wachend,
Wie du auf deinem Busen dich befindest!