Hochedles Fräulein von der Muschelschale!

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Hochedles Fräulein von der Muschelschale!
  Ich bin mit meinem Loose sehr zufrieden.
  So sprach der Edelstein mit einem Strahle,

Den scharf ich spürt' an meinen Augenlidern;
  Ich schloß sie an den Flor des Busens fester.
  Fort fuhr er, durch den Flor von mir geschieden:

Wenn du gewohnt gewesen, liebe Schwester,
  Auf Meereswogen schaukelnd dich zu wiegen,
  So wäre hier mein Platz dazu dein bester.

Ich aus dem Schacht der Erd' emporgestiegen,
  Wo ich gewohnt gewesen ew'ger Ruh,
  Darf keinen Augenblick hier ruhig liegen;

Das läßt des Lebens Ebb' und Fluth nicht zu,
  Von der ich reizend hier getragen werde,
  Die fällt und wieder steigt in jedem Nu.

O wie viel schöner hier, als in der Erde!
  Hier bin ich, was ich dort nicht war, zur Stelle
  Am wahren mittelird'schen Feuerherde.

Am Ursprung bin ich hier vom heil'gen Quelle,
  Der lebensfrisch durch tausend Sprudelröhren
  Vom Mittelpunkt verschickt die edle Welle,

Die sich im sichern Laufe nicht läßt stören,
  Bis an ihr Ziel sie kommt, wo sie muß taugen
  Dazu, daß Augen sehn, und Ohren hören,

Und andre Sinn' auf ihre Art einsaugen.
  Und was so eingesogen wird vom Ohre,
  Und eingezogen wird so von den Augen,

Und eingenommen in die andern Thore
  Der Sinne, steigt alsdann zum Herzen nieder,
  Wo es ersammelt wir im vollen Thore.

Mißtöne giebt es draußen hin und wieder;
  Hier aber werden sie ganz ausgeglichen,
  Daß rein die Seele hört des Lebens Lieder.

Wie bin ich neidenswerth, mit dir verglichen,
  O Perle, der die Ohren Frucht nur tragen!
  Ich ernte hier aus allen Himmelsstrichen.

Ich brauche vor nichts auf der Welt zu zagen,
  Solang' ich so mit seinem gleichen Schlag
  Das liebe Herz hier fühl' und höre schlagen.

Was hab' ich in der Nacht nicht und am Tag
  Erhört hier und erhorcht an diesen Schranken,
  Daß ich es kaum mir selb gestehen mag!

Ich höre hier die schweigenden Gedanken,
  Ich sehe hier die stillverborgnen Triebe,
  Und seh' und höre nie, daß sie sich zanken.

In Eintracht hält verbunden sie die Liebe,
  Die unumschränkt den sanften Scepter führet.
  O daß es ewig so, wie jetzt, hier bliebe!

Hier ist es, wo zuerst das Wort sich rühret,
  Das dann empor getragen und gehoben
  Von dem Gedanken wird zum Mund geführet

So lieblich klingt es dann herab von oben,
  So lieblich nicht, wie ichs's hier hörte klingen,
  Weil schon die Luft dazwischen sich geschoben.

Gehört hab' ich von Steinen, die zerspringen,
  Und wiederum von andern, die erbleichen,
  Wenn voll das Herz ist von unlautern Dingen,

Deswegen will ich keine Spanne weichen
  Von meiner Stelle hier, wo ich bin sicher,
  Daß nie mir was begegnen kann desgleichen;

Anschmiegen will ich mich nur inniglicher.
  O wäre das mir nicht verwehrt von Stoffen,
  Die doch beiweitem sind unadelicher;

Und doch hat sie das schöne Loos getroffen,
  Den zarten Busen hier so zu umschließen,
  Daß keinen Eingang sie mir lassen offen.

Wenn sie nur einmal mich ihn küssen ließen!
  Doch nicht will ich mir deren Gnad' ausmitteln,
  Die Ahnen haben die im Felde sprießen.

Wie sie auch hier gekommen sei'n zu Titeln,
  Es sind dieselben doch, die andrer Orten
  Verbraucht sind zu gemeinen Bauernkitteln.

O Perle du dort an des Ohres Pforten,
  Du bist die einz'ge hier mir gleich am Range,
  Drum wend' ich mich zu dir mit meinen Worten.

Wir sind nun hier schon Nachbarn ziemlich lange,
  Und keines hat dem andern noch erzählet,
  Woher wir sind entstammt vom Uranfange.

Das hat gewiß, wie mich, auch dich gequälet,
  Weil man doch gern will seinen Nachbar kennen,
  Eh man ihn sich zur Unterhaltung wählet.

So laß uns sprechen, eh man uns wird trennen!
  Gieb erst mir deine eigne Stammgeschichte,
  Sodann will ich dir meine Abkunft nennen.

Geschwind, damit, weil wir noch sind bei Lichte,
  Ich dir erzählen kann, wie mir's gelungen,
  Daß ich entronnen bin der Erdenschichte,

Erzähle mir, wie du dem Meer entsprungen!