Hoch lauscht’ ich auf, zu schau’n

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Hoch lauscht' ich auf, zu schau'n das neue Wunder,
  Da, was sie längst schon stille schien zu fodern,
  Erlaubt der Kerze worden war jetzunder.

Da war es mir Vor ihrem hellen Lodern,
  Als ob ich säh', in plötzlichem Umschwunge,
  Die beiden trüb' in Schacht und Muschel modern;

So schwieg ihr Glanz vor der erwachten Zunge
  Der Kerze, die, erregt vom Strahlensporne,
  So sprach von ihrem himmlischen Ursprunge:

Zwei Tropfen flossen aus zwiefachem Dorne,
  Einer des Lichtes und des Wassers einer;
  Die gaben Nahrung einem Samenkorne.

Von beiden Tropfen war entbehrlich keiner,
  Daher sie um des Vorrangs Ruhm nicht stritten,
  Ob einer edler, einer sei gemeiner.

Sie nahmen still den Keim in ihre Mitten;
  Da war alsbald die Blume draus entstiegen,
  Die hub die beiden Tropfen an zu bitten:

Daß keiner sollte jemals ihr versiegen
  Und ihre Nahrungsquellen ihr verstopfen;
  Sie wollte sich an beide gleich sanft schmiegen.

Und es versiegten nie die beiden Tropfen,
  Und gleich sanft schmiegte sich die Blum' an beide
  Mit ihres jugendlichen Herzens Klopfen.

Sie hatten an ihr ihre Augenweide,
  Und keines Streits von ihnen ward gepflogen,
  Als wer die Blume schöner schmük' und kleide.

Die Blume trank des Lichts und Wassers Wogen
  Und ließ bescheiden von den zwei'n im Bunde
  Sich weben ihres Kleides Regenbogen.

Das Wasser malte grün die Blum' am Grunde,
  Sie malte oben brennend-roth die Sonne;
  Da war genaht der Blume schönste Stunde.

Sie war der Erde und des Himmels Wonne.
  Die Liebe sah vom Himmel und erkannte,
  Daß sie entsprungen sei aus ihrem Bronne,

Daß sie in ihres Lichtes Strahlen brannte;
  Und kehrte ein vom Himmel im Gezelte,
  Das sich, sie aufzunehmen, sanft ausspannte

Das Haus, das hochbegnadigte, erhellte
  Sichinnerlich und floß von süßen Seimen,
  Als es der Liebe Hauch im Innern schwellte.

Die Liebe wirkte drinnen im Geheimen,
  Daß, wenn der Blume Todestag erschiene,
  Ein neues Leben sollt' aus ihr entkeimen.

Sie rief als ihre Dienerin die Biene,
  Dem süßen Saft der Blum' und farb'gem Staube
  Zu nahn, daß ihrer Kunst zum Stoff es diene.

Und als der Wind des Herbstes nun dem Laube
  Des Frühlings den Vertilgungskrieg erklärte,
  Da ward ihm nur das welke Laub zum Raube.

Doch, was der Biene Kunst gewonnen, währte.
  Das nahm der Liebe Finger drauf im Scherze
  Und bildet' es, daß es sich schön verklärte.

Sie bildet' aus demselben eine Kerze,
  Der sie das Amt gab, künftig zu erhellen
  Mit Frühlingsschein des Winters trübe Schwärze.

Und das bin ich, ihr leuchtenden Gesellen,
  Mit deren Loos ich nicht mag meines tauschen,
  Da Liebeshauch mich jetzt beginnt zu schwellen.

Wer Aug' und Ohr hat, auf! zu sehn, zu lauschen!
  In mir ist Frühlingsodem, Blumenschimmer,
  In mir ist Sonnenlicht und Quellenrauschen.

Das alles zaubr' ich hier in dieses Zimmer,
  Daß es für den, der Liebe fühlt, erwachse;
  Für jeden andern blüht und wächst es nimmer.

Denn nur die Liebe hat mir todtem Wachse
  Die Kraft gegeben, lebend hier zu funkeln.
  Drum drehe hier sich um der Liebe Achse

Die Welt, die ohne Liebe wär' im Dunkeln!