2.
Der Heidenkönig sprach zur Königin:
(So sprach der eine Halm zum andern weiter)
Mein Blumenkind, der Flor, liegt mir im Sinn.
Ich hoffte wohl, er sollt', ein rüst'ger Streiter,
Erringen höchsten Preis im Ritterthume;
Die Hoffnung geht je mehr und mehr zu Scheiter.
Was ist zu hoffen hier von seinem Ruhme,
Wo nur zu fürchten ist, daß im eintönigen
Spiel unter Blumen er sich ganz verblume?
Du wolltest es als Mutter stets beschönigen;
Doch ernster muß ich jetzt auf meinem Stuhle
Vorsorge thun, wie's Vätern ziemt und Königen.
Schon als der Knabe gehn sollt' in die Schule,
Um dort nach Brauch zu lernen gut- und sittiges,
Verlangt' er immer seine junge Buhle
Dabei zu haben; wider Willen litt ich es.
Da thaten sie in goldenen Buchstaben
Mit weichen Kielen eines Taubenfittiges
Nichts als verschlungne Namenszüg eingraben;
Und was dabei -— Gott weiß es, denn nicht weiß ich es,
Sie da in's Herz sich eingegraben haben!
Dann, statt zu üben in den Büchern fleißiges
Verlesen, lasen sie im Feld zusammen
Blumen zum Kranz; ein schönes Lesen heiß' ich es,
Daraus man auf kann lesen süße Flammen.
Dem Knaben und dem Mädchen scheint nun rreilich es
Wohl anzustehn, doch ich muß es verdammen.
Um zu verhüten, daß solch ungedeihliches
Blumengetändel nicht in's Unkraut wachse,
Trett ich dazwischen denn und rasch zertheil' ich es.
Da sprach die Königin, erbleicht zu Wachse:
Willst du gewaltsam diese beiden scheiden,
Die eins sich drehen um des andern Achse?
Zwei Blumen Eines Stengels sind die beiden,
Die gegenseits sich sind zum Blühn vonnöthen,
Und keine kann der andern Trennung leiden.
Da sprach der König schnell mit Zornerröthen:
Die Unzertrennlichkeit will ich erkennen;
Sie zu erproben, will ich eines tödten.
Die Kön'gin sprach: Die Prob' ist hart zu nennen;
Wenn ihre Trennung nicht ist zu verhüten,
Magst du sie lieber doch lebendig trennen. --
Für Blankflor aufzusuchen neue Blüthen
Ging unterdeß auf Waldeswegen Flor,
Den Sturm nicht ahnend, der begann zu wüthen.
Da sagten ihm es Blumenleise vor:
Du gehst hier schlechte Blumen zu gewinnen;
Daheim verlierst du eine schön're, Thor.
Aufsprang er und zum ersten Mal nicht innen
Ward er, daß Blumen er zertrat im Lauf;
Heim kam er, aber Blankflor war von hinnen.
Geboten hatte man sie zum Verkauf
Kaufleuten, die von da nach Rom sie brachten.
Und andre brachten weiter sie darauf
Nach Babylon. Wie viel des Golds aus Schachten
Für sie gegeben ward und andres Gut,
Ward mir erzählt, doch konnt' ich drauf nicht achten.
Flor aber that, wie Blumenliebe thut:
Er seufzte Duft und weinte statt der Thränen
Aus seinen Augenknospen Rosenbluh.
Verzweifelnd rief er Löwen und Hyänen:
Blutdürstige, versagt nicht mein Geheisch,
Kommt und zerfleischet mich mit euern Zähnen!
Ihr Adler, die ihr jaget mit Gekreisch,
Kommt und entführet mich in euern Krallen!
Doch Löw' Hyän' und Adler fressen Fleisch,
Und eine Blume schien Flor ihnen allen;
Drum ward von ihnen ihm kein Leids gethan,
Und wider Willen mußt' er weiter wallen.
Ein Grabmal fand er stehn auf grünem Plan,
Das man erbaut hatt ihm zum Hintergange,
Und eine goldne Aufschrift stand daran:
Blankflora ruht in dieses Grabs Umfange,
Die, als sie spielend unter Blumen saß,
Gestochen ward von einer gift'gen Schlange.
Als Flor hinzutrat und die Aufschrift las,
Sprach ihm in's Ohr mit lispelndem Geräusche
Ein Windeshauch: Nicht Blankflors Grab ist das.
Gib Acht, daß man nicht deine Liebe täusche!
Nicht dazu ist's, daß Gott den Schlangen gab
Ihr Gift, daß Liebe stürbe dran, so keusche.
Und als nun Flor sah auf die Gruft herab,
Und sah, daß an ihr standen keine Blumen,
Da rief er selbst: das ist nicht Blankflors Grab;
Es würde sonst gewißlich sich beblumen:
Denn, wenn nicht Blumenlieb' ist ein Gedicht,
Wo sollten Blumen blühn als bei Weißblumen?
Drauf wieder, als er hob sein Angesicht.
Und Blumen sah rings auf der Erde stehen,
Rief er: Ihr Grab ist noch auf Erden nicht;
Sonst würd' ich Blumen nicht auf Erden sehen,
Die, weil sie lebet, leben können nur.
Drum will ich auf der Blumenspur nur gehen,
So werd' ich auch wohl finden Blankflors Spur.
So rief er aus, und schritt getrost von dannen.
O sichre Hand der leitenden Natur!
Was hilft's, daß Menschen auseinander bannen
Zwei Herzen, die du für einander wählst?
Der Trennung Meilen sind für dich nur Spannen,
Und Ewigkeiten Stunden, die du zählst,
Und Zeit und Ort und Wege sind gemessen,
Wo, wie und wann du, die du willst, vermählst.
O glüeklich ist das Menschenkind, an dessen
Pfad du so treue Wachen hast gestellt,
Wie dort an Flors, der deine Gunst besessen.
O glücklich ist der Sinn, der, rein erhellt .
Vom Strahl der Liebe, leicht die Wegedeuter
Erkennt, die überall ihm sind gesellt.
Flor ging, und wo er ging, in buntzerstreuter
Versammlung sah er stehn an seinem Pfad
Das Volk der Blumen, Pflanzen, Gräser, Kräuter.
Wo er dann sah am dichtsten ihre Saat,
Wußt' er, daß Blankflor war des Wegs gezogen,
Und zog desselben ohne weitern Rath.
Und welche Blum' am tiefsten stand gebogen,
Die pflückt' er ab, drin fand er Tropfen Thaus
Von Bankflors Thränen, die sie eingesogen.
Die Tropfen nahm er sorgsam dann heraus;
Da wurden sie, auf seiner Hand geronnen,
Ihm Schätze, wie sie birgt kein Königshaus.
Sie wurden funkelnd ihm am Strahl der Sonnen
Zu Edelsteinen, und am Mondesschein
Zu Perlen glänzend, daß er's sah mit Wonnen.
So zog er freudig in die Welt hinein,
Und wo von Blankslor Kund' ihm wird geschenket,
Da giebt zum Lohn er Perl und Edelstein.
O Zeit, die schöner war, als mancher denket,
Da noch des Menschenherzen Doppelschatz
So tief im Grunde nicht war eingesenket,
Vielmehr in Blumen offen lag am Platz,
Daß man nach ihm nicht erst umwühlen mußte
Zwiefache Schreckniß ohne Lustersatz,
Um hell Gestein zu ziehn aus dunklem Wuste,
Und Perlen aus des Meeres falschem Schooß,
Die man doch nie kann wahren vor'm Verluste.
Damal, als Beides lag auf Gras und Moos
Vor Kindesaugen zarter Menschenliebe,
Da brauchte sie es aufzufassen bloß,
Und brauchte nicht zu sorgen, daß ihr's bliebe;
Denn was ein Kleinod war in ihrer Hand,
Das ward ein Nichts in seiner Hand dem Diebe.
Seit nicht mehr solche Lieb' ihr Vaterland
Auf Erden hat, sind solche Schätz' auch nimmer,
Und roher Geiz gräbt nach dem Gold im Sand.
Um an den Tag zu fördern kalten Flimmer,
Muß sterben ein entwurzeltes Geschlecht
Von Pflanzen, und nicht hört man ihr Gewimmer.
Die Pflanzen, die sonst Perlenthau gezecht
Aus Edelsteingefäßen, sieht man trinken
Gemeines Naß, das Menschen dünkt zu schlecht.
Doch sieh, die Sonne steht bereits am Sinken:
O Schwester, wenn sich dir im Schooß verkroch
Ein Tröpflein reinen Thau's, so lass' es blinken.
Den Durst zu löschen, dient es immer doch;
Schon vom Erzählen ist der Mund mir trocken,
Und Mehrer's zu erzählen hab' ich noch.
Gib her, dann red' ich weiter ohne Stocken.