Flor und Blankflor 3 von 6

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                             3.

Der Königin dem Lande Babylon,
  Der um sein Gold erhandelte Blankfloren,
  (Fuhr die Erzähl'rin fort mit reinrem Ton)

Verschloß sie drauf in seines Schlosses Thoren,
  Und warb mit neuem Gold um ihre Huld,
  Doch all sein Gold und Werben war verloren.

Der König sprach in wilder Ungeduld:
  Erworben hab' ich nichts mit meinem Golde;
  Liegt an mir oder an dem Gold die Schuld,

Daß ich mir hold nicht machen kann die Holde?
  Die Schuld lag nicht an ihm und nicht am Geld,
  Sie lag an mancher schönen Blumendolde.

Denn zur Gefangnen kam aus Wald und Feld
  Hereingewandelt eine Blumengilde,
  Und jede Blume war ein kleiner Held,

Der vor Blankfloren stand mit einem Schilde,
  Sie schirmend vor des Königsgolds Gewalt;
  Blankfloren zeigend ihren Flor im Bilde.

Das stand mit seiner blumigen Gestalt
  Verjüngt in tausend Blumen, duftentzündet,
  Sanft hauchend, daß nicht ihre Gluth ward kalt.

»O ihr, mit mir von Jugend-auf verbündet,
  Und, ach, mit ihm! ob euch die Rede fehlt,
  Versteh' ich doch, was ihr von ihm mir kündet.

O so, wie ihr mir jetzt von ihm erzählt,
  Bitt' ich euch, wo er irgend euch erscheinet,
  Daß ihr ihm Kund' auch nicht von mir verhehlt.

Ihr Schmetterlinge, die ihr Blumen scheinet,
  Die sich von ihrem Stengel losgerissen,
  Durch deren Botenschaft ein Paar vereinet

Von Blumen wird, die sonst sich würden missen;
  Ist keiner, der von dieser Blum' ausfliege,
  Und thue Floren, wo ich bin, zu wissen?«

Sie rief's; es ruht' auf ihres Busens Wiege
  Ein Strauß indeß, der still an seinem Ort
  Zu warten schien, bis die Gebiet'rin schwiege.

Denn als gesprochen war das letzte Wort,
  Begann der Strauß sich wie mit leisem Schauer
  Zu regen, und ein Blatt von ihm flog fort,

Als Schmetterling, hin über Wall und Mauer.
  Ach daß ihn Blankflor selbst nicht fliegen sah!
  Sie stünde dann nicht so versenkt in Trauer.

Ihr eigener beschwingter Wunsch ist's ja.
  O daß der Mensch, umhällt von seinen Träumen,
  Oft selbst sein Glück nicht siehet, ihm so nah.

Der Schmetterling wird aber doch nicht säumen
  Mit dem ihr unbewußten Botengang,
  Und suchen ihre Lieb' in fernen Räumen.

Der Sylphenbote läßt im raschen Drang,
  Wie gern er hätt' einmal im Flug gesogen,
  Von keiner Blum' am schönsten Bergeshang

Sich locken, bis er, ohne Rast, geflogen
  So weit, wo Flor von langer Wanderschaft
  Ausruhte müd' an eines Baches Wogen.

Er lag in Blumenmitte ganz erschlafft;
  Als er den Liebesherold kaum erblickte,
  Verspürt' er gleich zum Wandern neue Kraft.

Er konnt' es wohl errathen, wer ihn schickte.
  Mit Muth entschloß er sich, ihm nachzuschreiten,
  Und gaukelnd vor ihm her flog der Gestickte.

Er schritt und Blumen schritten ihm zur Seiten
  Als Dienstgefolg, und immer wachsend schloß
  Sich rings der Haufen an, ihn zu begleiten.

So zog er mit dem wunderbaren Troß,
  Bis er nach unterschiednen Tag- und Nächten
  Kam glücklich an vor'm Babylon'schen Schloß.

Da ward er von denselben Schicksalsmächten,
  Die ihn hierher gezogen, festgehalten;
  Da standen fest zur Linken und zur Rechten

Die Blumen auch in freundlichen Gestalten.
  Der Schmetterling flog auf zum Giebel flitternd,
  Wo seine Schwingen hell in Licht zerwallten;

Und Flor stand lauschend, Himmelsnähen witternd.
  Da sah er, wie sich Wall und Mauer hob,
  Mit ehrnen Pforten ihm sein Glück verbitternd.

Sein armes Herz verzagte schier darob;
  Wie sollt' er denn mit seinen Blumenwaffen
  In diese Felsenstoffe, starr und grob,

Sich irgend Eingang hoffen zu verschaffen?
  Doch, wenn es heißt: Ein Gott beschlossen hat's,
  So müssen Mauern, auch dreifache, klaffen.

Er dachte seines Blumengeldvorraths,
  Nahm eine Perl' und warf sie an die Pforte
  Des ersten Mauerrings, und Wirkung that's.

Denn gleich stand eine Pförtnerin am Orte,
  Die ließ ihn ein in's erste Thon er ließ
  Dafür die Perlen ihr aus seinem Horte.

Und als sich jetzt das zweite Thor ihm wies,
  Warf er daran mit einem Edelsteine,
  Und auch die Wirkung nicht verfehlte dies.

Ausschloß der Pförtnerinnen wieder eine,
  Und nahm dafür die Edelstein' ihm ab;
  Vor'm letzten Thore stand er nun alleine.

Was giebt er hier, da er schon Alles gab?
  Auch dieses Thor wird, das ist zu ermessen,
  Sich ihm nicht aufthun ohne Zauberstab.

Er aber hat verschenkt, was er besessen;
  Und seinen Schatz durch Thränen zu ergänzen,
  Hat er diesmals vor lauter Lust vergessen.

Weil schon der Tag ist an des Abends Gränzen,
  Entschließt er sich, vor'm Thor zu übernachten,
  Bis es im neuen Morgenroth wird glänzen.

Hinlegt' er sich, und seine Blumen machten
  Sich unter ihm zu einem weichen Bette;
  Doch einige von ihnen stellten Wachten,

Herschließend um sein Lager eine Kette,
  Daß seinen Schlaf kein Nachtwind könnte stören;
  Die andern schliefen mit ihm um die Wette.

Doch ein'ge auch, die sonst geübt in Chören
  Zu singen waren, sangen wie im Traum
  In seinen Traum, was lieb ihm war zu hören.

Wovon der Flor geträumt hat, weiß ich kaum;
  Doch griff er oft im Schlaf nach Blüthenranken
  Umher auf seines Lagers duft'gem Raum.

Draus hat er wohl in seinen Traumgedanken
  Gewoben eine Leiter, schlank und leicht,
  Zum Himmel reichend über alle Schranken.

Die hat wohl auch zum Thurm hinauf gereicht,
  Wo Blankflor schläft, und auf den blum'gen Sprossen
  Der Leiter steigt er jetzt zu ihr vielleicht,

Von der er war im Wachen ausgeschlossen.
  O gebe doch jedwedem Menschenkind,
  Das noch sein Glück nicht wachend hat genossen,

Ein guter Gott solch einen Traum geschwind,
  Und lass' es nicht dabei an Blumen fehlen,
  Die gern den armen Menschen hülfreich sind.

Da so im Duft des Traums sich zu vermählen
  Dort Blunm' und Mensch die schönste Anstalt trafen,
  Was soll ich hier mich fort zu reden quälen?

Viel besser wär' es auch, wir gingen schlafen,
  Da ringsum immer stiller wird die Au,
  Und heim schon treibt der Hirt mit seinen Schafen.

Doch willst du, liebe Schwester, erst genau
  Berichtet sein, wie sich die Dinge wenden,
  So reiche mir zuvor noch einmal Thau;

Dann will ich die Geschichte dir vollenden.